Mit «Geist» zum Geisterfahrer
Der Weisswein erfrischte, der Rote mundete und die Schnäpse räumten den Magen auf. Heiter war das Fest, launig der Abend. Nach langem Suchen glitt der Schlüssel ins Schloss, die Handbremse löste sich automatisch. Die Sicherheitslinie auf der Nebenstrasse flog wie ein schneller Schein entgegen, mal gar nicht, mal einfach, mal doppelt. Orange blinkten die Lichtsignale, rot leuchteten die Bremslichter, als der Fussgänger noch über den Zebrastreifen huschte. Reibungslos verlief die Einfahrt auf die Autobahn mit roter Tafel und weissem Querbalken. War da was? Nur kurz muckste das Navigationsgerät auf, doch die Richtung schien zu stimmen. Musik war angezeigt. Iron Maiden richtete es.
Falsch fahrendes Fahrzeug
Die Verkehrsinformation von Radio SRF 1 schaltete sich zu. «Dadödadö. Achtung. Auf der Oberlandautobahn zwischen Rapperswil und Schmerikon kommt Ihnen ein falschfahrendes Fahrzeug entgegen. Bitte fahren Sie rechts und überholen Sie nicht. Ich wiederhole: Achtung, falsch fahrendes Fahrzeug …» «Ich fahre ja rechts, nur diese Lichter auf der linken Seite», meldete sich die im Alkohol ertränkte Hirnmasse. Eine halbe Ewigkeit später: «Das bin ja ich!» Schweiss schiesst augenblicklich aus allen Poren. Der Alkohol lässt die Körpertemperatur emporschnellen. Hinter den Windschutzscheiben der entgegenkommenden Autos sind schemenhaft Mittelfinger, ja ganze Fäuste, Zeigefinger an der Stirne und Kopfschütteln zu erkennen. Ohrenbetäubendes Gehupe lässt jedes Mal ein Zusammenzucken folgen. Schluss mit dem entspannten Fläzen im Fahrersitz. Der Kopf berührt beinahe das Steuerrad. Es wird krampfhaft umklammert, die Oberarmmuskulatur ist angespannt, die Windschutzscheibe von der nahen «Fahne» beschlagen. Wenden? Jetzt müsste doch dann endlich die Entwarnungsmeldung im Radio kommen. Das «Billett» ist sicher weg. Wie viele Promille? Wie komme ich zur Arbeit?
Kreuzfalsch, aber inklusiv
«Dadödadö. Achtung. Auf der Oberlandautobahn zwischen Rapperswil und Schmerikon kommt Ihnen ein falsch fahrendes Fahrzeug entgegen. Bitte fahren Sie rechts und überholen Sie nicht. Ich wiederhole: Achtung, falsch fahrendes Fahrzeug …» Jaaa, Gopfertammi … Zwei Minuten später ploppt die Nachricht wieder auf. «Himmelherrgottnomol, sprachliche Kosmetik auch noch. Überkorrekt, schliesslich wollen Männer mit dem Begriff Falschfahrer nicht diskriminiert werden, aber er ist kreuzfalsch, liebes SRF! Das Auto kann ja nichts dafür. Ich Idiot bin es, der falsch fährt, eine Frau, notabene. Uiuiui, der Tunnel! Hilfe!» Huch. Im Rückspiegel ein Blaulicht, vorne ein Polizeiauto. «Folgen Sie uns!», so die Leuchtschrift. Abfahrt bei der Einfahrt Tuggen.
«Bitte aussteigen.» Der Boden schwankt unter den Füssen, die Atemluft mit Flaschengeist ist draussen: drei Promille. Die Kräfte schwinden, die Erfrischung des Weissweines ist definitiv weg. «Entwarnung: Auf der Oberlandbahn kommt Ihnen kein falsch fahrendes Fahrzeug mehr entgegen.» Ach, sag doch einfach Falsch-, oder besser: Geisterfahrerin …
Im Schnitt 14 Unfälle jährlich
Unfälle wegen Geisterfahrern auf der Autobahn sind sehr selten, die Folgen jedoch wiegen schwer: In der Schweiz ereignen sich pro Jahr durchschnittlich 14 Unfälle mit fünf Schwerverletzten und einem Getöteten. Geisterfahrten haben unterschiedliche Ursachen. Die häufigsten sind: Alkohol, Nacht und erhöhtes Alter der Lenkerinnen und Lenker. Geisterfahrtunfälle sind bedeutend seltener als Warnungen davor im Radio. Es gibt zehnmal mehr Meldungen, als es tatsächlich Unfälle gibt. (Quelle: bfu)
Mit «Geist» zum Geisterfahrer