Weihnachten als Lichtereignis

min
19.11.2018
Im 19. Jahrhundert gab es in vielen Städten den Brauch, leuchtende Weihnachtsbilder, sogenannte Transparente, auszustellen. Sie waren sehr beliebt, doch haben sich nur wenige erhalten. In Basel gibt es noch eines dieser Weihnachtstransparente. Es gehört der Herrnhuter Brüdergemeine.

Das Weihnachtstransparent der Herrnhuter Sozietät Basel wurde ihr im Jahr 1800 von einem ihrer Mitglieder geschenkt. Schnell sprach sich in der Stadt herum, dass es sich dabei um eine neue Art von Bild, ein Durchscheinbild, handelte. Viele Bürger der Stadt begehrten, das Bild sehen zu dürfen, auch in den Folgejahren. So wurde es jeweils am Heiligabend und am Weihnachtstag im Versammlungshaus der Herrnhuter der Öffentlichkeit präsentiert. Der Andrang war riesig, der Besuch des Bildes wurde zum weihnächtlichen Ritual. Bis heute veranstaltet die Brüdergemeinschaft alljährlich in der Weihnachtszeit eine Feier vor dem Transparent.

Was sind Transparente?
Transparente sind Bilder, die auf ein in Öl getränktes Papier oder dünnes Leinen gemalt sind und von hinten beleuchtet werden. Die Bildgattung taucht erstmals um 1780 auf. Besonders beliebt waren in der Frühphase die sogenannten Mondscheintransparente, stimmungsvoll geschilderte Nachtszenen, welche die Empfindsamkeit jener Zeit besonders trafen. Grosse Verbreitung fanden dann aber auch Darstellungen religiöser Szenen, insbesondere der Weihnachtsgeschichte. Die Lichteffekte, die nicht durch gemaltes, sondern durch wirkliches Licht erzeugt wurden, faszinierten das Publikum. Goethe sprach vom «zauberischen Effekt» der Transparentgemälde.

Popularität neuer Medien
Das Basler Transparent ist ein frühes Beispiel dieser neuen Bildgattung. Gemalt wurde es von Marquard Wocher, dessen Namen man heute vor allem mit dem «Thuner Panorama» in Verbindung bringt. Auch die Bildgattung des Panoramas war eine um 1800 aufkommende neue Erfindung. Wocher hatte offensichtlich Freude an neuen und populären Bildmedien. Diese Freude teilte auch die Basler Brüdergemeine. Allerdings geht aus einigen Jahresberichten hervor, dass es auch kritische Stimmen gab, denen die Popularität des Weihnachtstransparents offenbar leicht suspekt war. Man beschloss deshalb 1821, den Besucherstrom etwas einzugrenzen mit dem Argument, das Bild sei eigentlich nur für die Kinder bestimmt.

Anbetung der Hirten

Das Bild zeigt die Anbetung der Hirten. In einem alten Stall werden drei erwachsene Hirten und zwei Kinder von Joseph empfangen und dürfen das Neugeborene anschauen, das Maria ihnen zeigt. Ein weiterer Zeuge erscheint in der grossen Stallöffnung, die den Blick auf die Szene der Verkündigung draussen auf dem Feld freigibt. Der Junge ist gerade angekommen und scheint noch nicht wirklich erkannt zu haben, was sich im Stall abspielt. Doch spürt er, dass es etwas Besonderes sein muss und hebt ehrfürchtig und grüssend den Hut. 

«Zauberischer» Effekt, Lichtmagie? Das Geheimnis von Weihnachten.»

Jesus als Lichtbringer

Das Bild strahlt eine warme Farbigkeit aus. Versuchen wir ausfindig zu machen, woher der Raum, die Landschaft und die Personen beleuchtet werden, so stellen wir fest, dass es keine natürlichen Lichtquellen gibt. Das Licht geht zum einen vom Kind in der Krippe, zum andern von der Lichterscheinung des Engels bei den Hirten auf dem Feld aus, es ist ein göttliches Licht. Weihnachten wird hier als Lichtereignis gedeutet. Jesus offenbart sich den Hirten als Lichtträger und Lichtbringer, als der, dem der Evangelist Johannes die Worte in den Mund legt: «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben» (Joh. 8,12). Wunderbar passt dazu das Medium des Transparents, das ebenfalls aus sich heraus leuchtet und seine schönste Wirkung in einem dunklen Raum entfaltet. «Zauberischer Effekt», Lichtmagie? Das Geheimnis von Weihnachten.

 

Text: Johannes Stückelberger | Foto: Herrnhuter Sozietät Basel  – Kirchenbote SG, Dezember 2018

 

 

Unsere Empfehlungen

«Steh auf, wenn du am Boden bist» (1)

Sigmar Willi war schon mehrmals am Boden. Als seine Frau früh starb, zog er die vier Kinder alleine gross. Jahre später geriet er in eine Erschöpfungsdepression – die schlimmste Zeit seines Lebens. Im Rückblick analysiert er, was er brauchte, um vom Boden wieder aufstehen zu können.
«Steh auf, wenn du am Boden bist»

«Steh auf, wenn du am Boden bist»

Sigmar Willi war schon mehrmals am Boden. Als seine Frau früh starb, zog er die vier Kinder alleine gross. Jahre später geriet er in eine Erschöpfungsdepression – die schlimmste Zeit seines Lebens. Im Rückblick analysiert er, was er brauchte, um vom Boden wieder aufstehen zu können.

Glauben praktisch gelebt

Mit dem Grabser Mesmer Remo Hagger hatte Kirchenbote-Autor Rolf Kühni schon mehrere erfreuliche Begegnungen. Grund genug, ihm auf den Zahn zu fühlen und zu erfahren, was ihn in seiner Arbeit so fröhlich macht.