Der Stein des Anstosses

Was ärgert Sie?

von Heinz Mauch-Züger
min
01.05.2024
Noch immer gibt es bei uns Redewendungen, die ihren Ursprung in der Bibel haben. Der Begriff «Stein des Anstosses oder Ärgernisses» kommt im neuen Testament im 1. Petrusbrief, Kapitel 2, in den Versen 5 bis und mit 8 vor.

Ihr «Stein des Anstosses»

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, was erregt bei Ihnen Anstoss? Was ärgert Sie? Wissen Sie, weshalb sie das ärgert, was sie ärgert? Ist es zu laut? Ist es zu teuer? Ist es unverständlich? Ist es unmoralisch? Sind Ihnen die Menschen, die «diese anderen Anschauungen» vertreten unsympathisch? Ist die gezeigte Weltanschauung ihnen fremd? Wird da einfach etwas durchgeboxt? Fühlen Sie sich nicht ernst genommen? Oder ist «es» einfach nur verrückt, so eine Mode?

 

Die aus heutiger Sicht positiven, befreienden Gedanken, die von Jesus vertreten und von seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern gelebt wurden, fanden nicht überall Verständnis und wurden entsprechend negativ beschrieben und gewertet. Wir finden eine solche Entwicklung gegenwärtig in der Auseinandersetzung mit «Woke».

 

Ein Beispiel für Anstoss, Ärgernis: «woke»

Der Begriff «woke» stammt aus dem Englischen und wird verwendet, um eine bewusste (erwachte), aufgeklärte und gesellschaftlich engagierte Einstellung zu beschreiben. Woke sein bedeutet, sich besonders für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und gegen Unterdrückung einzusetzen. Es bezieht sich auf ein Bewusstsein für gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Sexismus, Diskriminierung und andere Formen von Ungerechtigkeit. Personen, die sich als «woke» bezeichnen, zeigen ein erhöhtes Bewusstsein für kulturell entstandene Ungleichheiten und streben nach Anpassungen im Sinne der Akzeptanz und Anerkennung in der Gesellschaft.

 

Wir erleben aktuell, wie die stattfindende Veränderung durch grundsätzlich positiv gemeinte «Woke-Gedanken» verunsichert, weil sie Routinen und scheinbar feste Gebräuche in Frage stellt und neue Verhaltensweisen fordert. Nur schon so kleine Elemente wir Sternchen oder Doppelpunkt in Wörtern, können die Gemüter erhitzen. Das Ganze verschärft sich dann zusehends, wenn gewisse ethnische Bezeichnungen wie «Neger», «Zigeuner» oder «Indianer» nicht mehr gebraucht werden sollen, weil sie, wie aus meiner Kindheit das Wort «Tschingg», ursprünglich abwertend gemeint sind. Wenn dann Vertretungen von «woke» Forderungen nach Verboten oder dem Ausschluss von Leuten, welche noch solche Wörter verwenden, aus Gremien oder ihrem Beruf stellen, steigert sich das Ärgernis rasant. Die ursprünglich gute Idee sabotiert sich selbst und wird zur Zielscheibe von negativer Kritik und Häme.

Woke sein bedeutet, sich besonders für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und gegen Unterdrückung einzusetzen.

Die «Woke»-Vertretungen wollen grundsätzlich eine respektvolle und angemessene Haltung für benachteiligte Menschen und Bevölkerungsgruppen erreichen. Darin steckt viel christliche frohe Botschaft. Auch sie achtet auf Akzeptanz ungeachtet von Herkunft, Geschlecht oder Hautfarbe. Im Bibeltext vom «Stein des Anstosses» ist von den Christen als «lebendige Steine» die Rede. Diese Lebendigkeit meint einen Lebensstil, der auf Respekt, Rücksicht und Gemeinschaftssinn jenseits von Stand und Herkunft basiert. Auch in der Entwicklung des Christentums wurden Verbote durchgesetzt und die ursprüngliche Freiheit der frohen Botschaft eingeschränkt. Das war auch nach der Reformation bei den Reformierten vor 500 Jahren so. Die vielversprechende Ausgangslage verführt dazu, Missbrauch zum vorneherein zu verhindern. Verbote sollen das regeln. Der «Stein des Anstosses» ist dann nicht nur Ärgernis für Aussenstehende, deren Gewohnheiten in Frage gestellt werden. Sie wird auch zum Ärgernis für Insider, die gewisse Einschränkungen nicht nachvollziehen können oder wollen. Dabei könnte man die Redewendung nicht nur negativ verstehen. Der «Stein des Anstosses» wird zur Chance. Der Ärger wird zur Möglichkeit für vielversprechende neue Entwicklungen.

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