Massgeschneiderte Hochzeitsfeiern gefragter denn je

min
03.03.2023
Taufen am Fluss, heiraten auf dem Bauernhof oder in der romantischen Kirche am See: Der freie Ritualmarkt boomt und ist umkämpft. Nun springen die Kirchen auf den fahrenden Zug auf.

Jedes Jahr heiraten in der Schweiz 40 000 Paare. Nur jedes fünfte lässt sich jedoch kirchlich trauen. Tendenz abnehmend. Der Markt für freie Ritualbegleiter boomt. Viele Paare wählen statt der Kirche einen Ort mit persönlichem Bezug für ihr Jawort. Zahlreiche Hochzeits- oder Trauerrednerinnen und -redner bieten hingegen Trauungen, Taufen oder Trauerfeiern ohne religiösen Hintergrund an. Hinzu kommt, dass es die Pfarrschaft oftmals ablehnt, wenn sie für auswärtige Anlässe angefragt wird. In den meisten Kirchgemeinden sind Trauungen, Abdankungen und Taufen für Kirchenmitglieder kostenlos. Die Kosten für freischaffende Ritualbegleiter betragen hingegen bald einmal 1800 Franken.

Inzwischen reagieren verschiedene Kantonalkirchen auf diese Entwicklung. Die Schaffhauser Kantonalkirche plant ein Pilotprojekt mit dem Arbeitstitel «Offenes Pfarramt». Hier präsentieren sich Pfarrerinnen und Pfarrer auf einer Website, die bereit sind, Rituale durchzuführen. «Die Kirche sollte das Feld nicht anderen überlassen, wir haben gut ausgebildete Fachleute, die ebenso freie, neue Rituale anbieten können», erklärt Kirchenrat Matthias Eichrodt.

 

«Die Kirche sollte das Feld nicht anderen überlassen.»

Matthias Eichrodt, Kirchenrat Schaffhausen

 

Einen Unterschied zwischen den Angeboten der freien Ritualbegleitung und jenen der Kirche gibt es allerdings: den Segen Gottes. «Pfarrerinnen und Pfarrer können eine Feier auch ohne traditionelle Gottesbegriffe, Bibelzitate und Kirchenlieder gestalten. Kern einer Feier bleibt aber der Segen. Er drückt aus, dass wir Gott im Gepäck haben», sagt Eichrodt.

 

Rituale für eine mobile Kirche

Als erste Kantonalkirche in der Schweiz hat die Reformierte Landeskirche Aargau vor Jahren eine Website lanciert, auf der sich Pfarrerinnen und Pfarrer persönlich vorstellen und ihre Dienste von der Trauung über die Taufe und die Jubiläumsfeier bis zur Abdankung anbieten. «Individualität ist das Stichwort», erklärte Frank Worbs, damals Kommunikationsleiter der Aargauer Reformierten, zu ref.ch. «Junge Leute, die eine Trauung oder eine Taufe suchen, rufen nicht mehr im örtlichen Pfarramt an. Sie suchen im Internet, finden aber in der Regel nicht das entsprechende Angebot ihrer Kirche», so Worbs. Er ist überzeugt: «Man muss aufhören, Kirche vom Ort abhängig zu machen, sondern die eigenen Angebote im Netz gut präsentieren.»

 

«Man muss aufhören, Kirche vom Ort abhängig zu machen, sondern die eigenen Angebote im Netz gut präsentieren.»

Frank Worbs, ehemaliger Kommunikationsleiter der Aargauer Reformierten

 

Auch in der Stadt Bern können kirchliche Ritualbegleitungen online und «à la carte» über die Website «Ritualagentur» gebucht werden. Wer eine kirchliche Trauung plant, gibt das gewünschte Hochzeitsdatum ein und erhält eine Liste mit Pfarrerinnen und Pfarrern. Die Website will digitalaffine Menschen ansprechen, entsprechend soll die Ritualagentur frisch, zeitgemäss und kundenfreundlich wirken.

 

Tradition bewahren

Die Basler Kirche gibt sich zurückhaltend: «Am ehesten mit einem ‹freien Pfarramt› vergleichbar ist die Offene Kirche Elisabethen, die natürlich sehr offen ist, wenn es um Trauungen geht», sagt Matthias Zehnder, Kommunikationsbeauftragter der Kirche. Ansonsten lässt die Basler Gottesdienstverordnung eine Feier ausserhalb der Kirche nur «auf begründetes Gesuch hin» zu.

 

Adriana di Cesare

Unsere Empfehlungen

U33 und die Gretchenfrage zur Religion

U33 und die Gretchenfrage zur Religion

Pünktlich zu Ostern hat die Schweizer Illustrierte SI in Zusammenarbeit mit den Landeskirchen eine Sonderbeilage zum Thema Kirche und Jugend herausgegeben. Die SI stellt dabei die Gretchenfrage, was junge Menschen unter 33 Jahren heute mit dem christlichen Glauben und der Kirche verbindet.
Auf den Spuren des Nazareners

Auf den Spuren des Nazareners

An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung Jesu Christi. Die Evangelien berichten, dass Jesus aus Nazaret während dreier Jahre predigte und Wunder tat. Sein Auftritt veränderte die Geschichte der Menschheit und fasziniert bis heute. Aber wer war dieser Nazarener wirklich?
Die Offenbarung ist kein Fahrplan für den Weltuntergang

Die Offenbarung ist kein Fahrplan für den Weltuntergang

Apokalyptische Reiter verbreiten Angst und Schrecken, Tod und Teufel werden in einen Feuersee geworfen – wer das letzte Buch der Bibel liest, dem kann angst und bange werden. Coronavirus, Ukrainekrieg, Klimaerwärmung – die Offenbarung des Johannes wird auf alles Mögliche angewendet.
Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

170 Jahre nach der Gründung des Diakonissenhauses Riehen beleuchtet eine Ausstellung mit Fotos und Texten die Geschichte der Kommunität. Sr. Delia Klingler lebt seit 2017 als Schwester hier. Der Kirchenbote hat mit ihr die Ausstellung besucht.