Lauthof statt Friedhof

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20.10.2022
Totenruhe oder Erholungsraum: Auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld entbrannte ein Nutzungskonflikt.

Während eine Frau vor einem Holzkreuz um einen verstorbenen Menschen trauert, schwirrt über ihren Kopf ein lärmendes Modellflugzeug. Offenbar kein Einzelfall. Medien berichten über Lärm, herumliegenden Abfall, Partys, Drogenkonsum und Sex auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich. Das mag aufgebauscht sein, offenbart aber einen grundsätzlichen Nutzungskonflikt.

Hintergrund des Phänomens ist, dass in der Schweiz nur noch zehn Prozent der Verstorbenen erdbestattet werden – neun von zehn werden eingeäschert. Reihengräber verschwinden und werden durch 

Urnen- und Gemeinschaftsgräber ersetzt. Flächen werden frei, sodass die Friedhöfe sich mehr und mehr zu parkähnlichen Anlagen wandeln.

Mehr als ein Friedhof
Der Friedhof Sihlfeld ist mehr als ein Friedhof. Er ist die grösste Parkanlage der Stadt. Seit 2018 ist sie nachts offen und beschäftigt mittlerweile Politik und Justiz. Gemeinderäte der FDP forderten in einem Postulat den Stadtrat auf, die Nutzung zu regeln. Eine Mehrheit des Stadtparlaments war aber der Meinung, das Problem sei auf andere Weise zu lösen. Derweil erwirkte ein Anwohner beim Bezirksrat eine nächtliche Schliessung des Friedhofs. Dagegen hat der Stadtrat Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht. Sie ist noch hängig.

 

Text: Stefan Degen, Foto: Wikipedia/Roland Fischer, Zürich – Kirchenbote SG, Ende Oktober 2022

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