Hexen im Appenzellerland ? – «doch nüd bi ös»!
Theologisch anerkannt
Im frühneuzeitlichen christlichen Europa (15. bis frühes 18. Jahrhundert) war der Teufelsglaube allgemein verbreitet und wurde von den Kirchen, sowohl den katholischen als auch den reformatorischen Gemeinschaften, durchaus theologisch anerkannt und oft auch bewusst gefördert in diesen von Glaubenskriegen, Seuchen und Hungersnöten geprägten Zeiten.
Damals gab es noch keine wissenschaftlichen Erklärungen für das Entstehen von Naturkatastrophen wie Unwetter, Missernten, Viehsterben und Seuchen in den Lebensgemeinschaften. Rasch griff man auf übernatürliche Erklärungen zurück und fand bald die notwendigen «Sündenböcke» in missliebigen Personen – eben den «Hexen». Das waren Menschen, welche sich angeblich im Bund mit dem Teufel übernatürliche Zauberkräfte verschafft hatten, um damit ihren Mitmenschen zu schaden. Man unterstellte ihnen die Fähigkeit, das Wetter beeinflussen und Krankheiten verbreiten zu können. Somit galt es, sie möglichst schnell zu eliminieren.
Ganze Familien wurden ausgelöscht
Wer waren diese «Zauberer»? Sie entsprachen überall dem stets gleichen Profil: Fast immer Frauen, meist ledig oder verwitwet, mittellos, ohne guten Beziehungen, nicht genug fromm, mit eigenwilligem Lebenswandel. Fast nie waren es Männer und Personen höheren Standes in führenden Positionen. Die Protokolle der unzähligen Hexenprozesse zeigen immer dieselben, meist unter Folter erpressten «Geständnisse»: Beischlaf mit dem Teufel, Teilnahme an Tanzorgien am Hexensabbat, Verwendung von Zaubermitteln (Hexensalbe, Zaubertrank). Auch die Beschreibungen der Teufelsgestalt (Bocksfuss, Hörner, grünes Jägergewand) sind überregional und ähnlich. Das beweist, dass die Opfer nicht Erlebtes erzählten, sondern nur das allgemeine «Wissen» über den Teufel in der damaligen Gesellschaft wiedergaben. Gelegentlich kam es auch zu Massenhinrichtungen, weil die Angeklagten auf Wunsch der Verhörrichter Namen von angeblichen Mitwissern angaben, um grösserer Folter zu entgehen. Besonders in kleinen Städten und Dörfern, wo sich die meisten Bewohner kannten, auch ihre Freunde und Feinde in der Nachbarschaft, führte das oft zu Massenpsychosen: Ganze Familien samt unmündigen Kindern wurden ausgelöscht, denn der Teufel hatte angeblich den ganzen Ort «verseucht»! Das Foltern diente der Erzwingung eines Geständnisses, denn nur dieses konnte eine Verurteilung und die Rettung einer «reumütigen Seele» rechtfertigen. Andere Beweismittel genügten nicht.
Hinrichtungen im Appenzellerland
Auch das Appenzellerland war diesbezüglich keine «heile Welt». Die Quellenlage vor 1550 ist allerdings sehr lückenhaft. Massenpsychosen sind keine bekannt. Jedoch sind nach der Landteilung von 1597 Verhörprotokolle mit stets ähnlichen Inhalten verfasst worden. In Innerrhoden wurden im 17. Jahrhundert etwa 50 Personen der Hexerei verdächtigt; 30 Hinrichtungen sind protokolliert, davon acht allein im Jahre 1661. In Ausserrhoden sind im 17. Jahrhundert 24 Hinrichtungen von «Hexen» dokumentiert, darunter nur zwei Männer und sogar ein zehnjähriges Mädchen. Sie wurden enthauptet und die Leichen danach verbrannt. 1646 wurde eine Hexe lebend verbrannt, weil sie ausserdem mehrere Geschwistermorde gestanden hatte. Die letzte Hexenverbrennung fand 1690 statt, nachdem noch ein Jahr zuvor gleich drei Hexen hingerichtet wurden; dies unter dem Einfluss der Hasspredigten des Herisauer Pfarrers Johannes Zollikofer.
Chefichammer in Trogen
Hans Georg Kasper war von 1981 bis 2009 Lehrer für Geschichte an der Kantonsschule in Trogen. Er hat die Käfigkammer im Rathaus Trogen neu konzipiert und ein Booklet dazu geschrieben:
„Chefichammer“ — Dauerausstellung zur Geschichte der Strafjustiz in Appenzell-Ausserrhoden im Rathaus Trogen. Eröffnung im Frühjahr 2025. Informationen folgen später in der Tagespresse.
Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen
Die Predigt des Seelsorgers Johannes Zollikofer über die «misera lamiarum sors», das elende Schicksal von Unholdinnen, füllte am 5. Mai 1689 die Kirche Herisau. Sie ist ein Zusammenzug aus der 1100-seitigen «Magiologia: Christliche Warnung für dem Aberglauben und Zauberey», von Bartholomäus Anhorn d.J., gedruckt 1674 in Basel. Anhorn war 1635-1637 Pfarrer in Hundwil.
Dieser Shortlink führt zum Zeitzeugnisse-Projekt zum 500. Jahrestag der Aufnahme des Standes Appenzell in die Eidgenossenschaft https://zeitzeugnisse.ch/detail.php?id=467
Hexen im Appenzellerland ? – «doch nüd bi ös»!