Die Bibel redet von Männern nicht zu knapp!

Gott stellt keine Anforderungen

von Hajes Wagner
min
01.10.2023
«Da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.» Gal 3,28

Kriegshelden, Herrscher, Vaterfiguren, Propheten, Apostel, Betrüger, Verliebte, Schläger, Heiler, Trinker, Eremiten, Bauleute, Schriftgelehrte, Hirten: die Bibel redet von Männern nicht zu knapp. Die Frauen kommen spärlicher vor. Aber was ist nun in der Bibel ein Mann? Wer darauf eine Antwort sucht, kann sich seine Vorbilder nach Lust und Laune aussuchen. Und selbstverständlich lassen sich auch höchst problematische Rollenbilder mit der Bibel begründen. Vielleicht zeigt gerade die Vielfalt an Männergestalten, dass es eben nicht ein einziges Schema gibt, in das Gott die Menschen hineinpressen will. Nicht alle müssen wie Noah die Welt retten. Oder wie Paulus die Welt bekehren. Oder wie Jakob ihren Bruder betrügen. Oder wie Salomo 700 Frauen haben.

 

 

In einer patriarchal geprägten Kultur lastet der Anspruch, geschlechtergerecht zu handeln und zu sprechen zu Recht auf den Männern. Aber müssen Männer darum verstecken, dass sie Männer sind? Nein. Es braucht keine Entschuldigung dafür, dass wir Männer Männer sind. Für die Untaten, die wir anstellen, da haben wir uns allerdings zu entschuldigen. Zum Beispiel dafür, dass es noch immer eine Lohnungleichheit gibt zwischen Mann und Frau. Und warum hören wir nicht endlich mit dem Krieg auf? Der ist nämlich noch immer fast ausschliesslich Männersache. Und dafür gibt es keine Entschuldigung.

Die biblischen «Helden» sind gebrochene Helden. Sie zeigen durchs Band Schwächen und Fehler, es unterlaufen ihnen grobe und schlimme Sünden. Und das ist ein Trost in einer Welt, die uns vorgaukelt, die Männer müssten stark und leistungsfähig und dazu auch noch perfekte Hausmänner und mütterliche Väter sein. Männer müssen den Anforderungen, die die Gesellschaft an sie stellt, nicht genügen. Gott stellt keine Anforderungen. Er schenkt uns Gaben und Talente. Und das ist ein völlig anderer Blickwinkel. Wir sind nicht gefordert, wir sind beschenkt. Als Beschenkte können wir uns entfalten. Der Druck weicht. Freiheitsräume entstehen. Aber dafür müssen wir die Vorbilder zuerst weglegen. Sie setzen uns nämlich unter Druck: So solltest du auch sein. Nein: So musst du ganz und gar nicht sein. Du musst nicht sein wie David und auch nicht wie Abraham oder Gideon, Salomo, Paulus oder Elia.

 

 

Selbstverständlich sind Männer anders als Frauen. So wie das für alle Geschlechter gilt. Es wäre ein Jammer, die Vielfalt, die Gott schuf, zu leugnen. Und weil es Unterschiede gibt, ist es unmöglich, allen Geschlechtern immer gerecht zu werden. Das dürfen wir als Christen aussprechen und festhalten, ohne uns billig zu entschuldigen. Wir sind begrenzte Menschen, wir sind Sünder und bleiben es. Und trotzdem sind wir wunderbar begabt. Entfalten wir unsere Gaben zum Lobe Gottes, der die Vielfalt liebt. Als Männer. Und Frauen. Und über die Geschlechter hinweg.

 

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