Gefährdete Welten
Der Blick auf den Menschen ist in dieser Aussage umfassender als die gängigen Menschenbilder mit Schwerpunkt Charaktereigenschaften, Kompetenzen und Nützlichkeit. Jeder Mensch ist eine Welt für sich. Stirbt dieser Mensch, so stirbt eine Welt. In diesem Sinne ist der Weltuntergang unser natürliches, absehbares Schicksal. Doch bereits bevor das natürliche Ende eines jeden menschlichen Lebens eintritt, können menschliche Welten erschüttert werden oder untergehen. Die Folgen davon sind katastrophal und ihre Bewältigung für die betroffene Person selbst und auch ihr Umfeld eine grosse Herausforderung.
Elemente der Menschenwelten
Woraus bestehen diese gefährdeten Welten, die sich als das, was wir mit «Ich» bezeichnen, manifestieren? Sie bestehen aus Wahrnehmungen und damit verbundenen Erfahrungen. Sie bestehen aus Schlüssen, die wir aus den Erfahrungen für uns ziehen. Zu diesen Schlüssen gelangen wir durch Nachdenken und Austauschen. Zu diesen Schlüssen gelangen wir durch äussere Einwirkungen von Eltern, Lehrenden, Vorgesetzten, Kolleg:innen, Medien, Influencern etc. Daraus bilden wir Meinungen, Glauben, Überzeugungen, Wissen und Gewissheiten. Diese Elemente formen unsere jeweils eigene Welt und daraus unsere Weltanschauung. Wir brauchen viel Energie, unsere Welt im Gleichgewicht zu halten. Unser Hirn ist darauf angelegt, Ungleichgewicht durch Verunsicherung infolge persönlicher, sozialer, ökonomischer und politischer Entwicklungen zu verarbeiten. Veränderungsgeschehnisse wie die Pubertät, berufliche Anforderungen, Beziehungskrisen, Krankheit, Alterungserscheinungen, Zurücksetzungen, Erfolgsdruck und so weiter benötigen umfangreiche Ressourcen.
Zunehmend eng und autoritär geführte Weltanschauungen und gewaltbereites Verhalten sind Zeichen, dass sich Menschen gegen den Untergang ihrer Denk- und Vorstellungswelten wehren.
Untergangsanzeichen
Anhaltende Irritationen und Verunsicherungen zeigen sich in Gereiztheit, Aggression, Schlaflosigkeit, zunehmender Teilnahmslosigkeit, Burn-out und körperlichen Leiden, die scheinbar einfach so kommen und gehen. Die Zunahme dieser Symptome auch in Richtung von immer mehr Jugendlichen und sogar Kindern weisen auf bei uns bestehende Weltgefährdungen hin. Zunehmend eng und autoritär geführte Weltanschauungen und gewaltbereites Verhalten sind Zeichen, dass sich Menschen gegen den Untergang ihrer Denk- und Vorstellungswelten wehren. Überraschende und unkontrollierbare äussere Geschehnisse wie ein Unfall, eine Naturkatastrophe oder Krieg setzen Geschehnisse in Gang, denen kaum beizukommen ist. Was sich an Ungleichgewicht nicht nach aussen richtet, beginnt nach innen zu wirken. Rückzug, Grübeln, Antriebslosigkeit, Sinnlosigkeit, Selbstmord.
Auswirkungen
So wie die Welten der Menschen in Vielem einander gleichen, so sind sie doch individuell verschieden in dem, was einem mehr oder weniger wichtig ist. Findet sich aus einer begonnenen Untergangsspirale kein Ausweg, wartet der Tod. Er kann das persönliche Ende im Suizid sein; er kann sich jedoch auch darin äussern, dass andere Personen «mitgenommen» werden, wie Amokläufe es aufzeigen.
Prävention
Sich nicht von sogenannt klaren und eindeutigen Lehren und Aussagen täuschen lassen. Den vielfältigen Austausch pflegen. Sensibel sein für Schubladisierungen und entmenschlichende Benennungen (Ausländer, Linke, Rechte, Juden, Christen, Muslime ...) Auseinandersetzung, Zweifel und Kritikfähigkeit üben – tagtäglich.
* Professorin Anat Alon-Beck zur Lösung des Gaza-Konflikts und dem Friedensnobelpreis für Präsident Donald Trump im Beitrag von Fabian Hock, Appenzellerzeitung vom 7. Oktober 2025
 
                                     
         
         
         
        
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