Düfte im Jahreswechsel

Es duftet verführerisch

von Judith Husistein
min
01.05.2025
Düfte begleiten uns durch unser Leben. Wir können sie als fein, eklig, verführerisch oder unangenehm empfinden. Ob Parfum, Babys, Essen, Tiere, Schulzimmer, Waschmittel oder Städte – alles hat seinen eigenen Geruch. Ganz besonders mag die Autorin den Geruch von Blumen und Natur, Wäldern, Holz, Pflanzen und Erde.

Mein Versuch, mich für einen einzigen Lieblingsduft zu entscheiden, scheitert. Es sind so viele, die sich in jeder Jahreszeit ändern und neu entfalten. Jeder davon scheint mir Jahr für Jahr besonders und unvergleichlich. Und jeder Duft entführt mich in die Vergangenheit, erzählt Geschichten oder lässt ganz besondere Erinnerungen wieder aufleben.

«Maierisli» zum Muttertag

Während ich dies schreibe, steht neben mir eine kleine Vase mit «Maierisli», deren einzigartiger Duft den Raum erfüllt. Sie sind für mich untrennbar mit Muttertag verbunden. Es gab keinen Muttertag, an dem meine Mutter nicht mit einem Sträusschen der wohlriechenden Blümchen aus dem Wald beschenkt wurde. Eines von uns Geschwistern fand stets ein Plätzchen, an dem sie blühten. Diese Tradition behielten wir bei, auch wenn die Blumen später aus dem Garten stammten. Heute steht am Muttertag jeweils ein Sträusschen auf Mamis Grab.

Düfte im Jahreswechsel

Wenn am sonnigen Waldrand die blauen Bergflockenblumen ihren süssen Duft verströmen, sehe ich meinen Vater vor mir, wie er nach der Waldarbeit meine Mutter mit einem grossen Strauss davon überraschte. Unbeschreiblich riecht es, wenn im Frühling das erste Gras gemäht wird und wenn Seidelbast und Veilchen blühen. Sobald der Heuet kommt, liegt ein Aroma, das an Tee erinnert, in der Luft. Kein Wunder, dass in manchen Restaurants sogar Heusuppe angeboten wird. Und wenn der Lindenbaum neben dem Haus blüht und die ganze Wohnung mit seinem Duft verzaubert, dann ist endgültig Sommer. Etwas wehmütig stimmt mich stets der Herbst, wenn es in den Wäldern nach vermoderndem Laub, Pilzen und nassem Moos riecht. Wenn Nebel alles einhüllt, spüre ich nicht nur das Ende der warmen Jahreszeit, sondern auch die eigene Vergänglichkeit deutlich, manchmal schmerzhaft. 

Der Wunder-Winterschneeball

Sobald der erste Schnee fällt, ändert sich die Stimmung. Wonach riecht Schnee und Kälte? Ich kann es nicht beschreiben und doch hat auch diese Jahreszeit ihren eigenen Duft, der in der Nase kribbelt. Dass ich sogar im Winter nicht auf duftende Pflanzen verzichten muss, freut mich besonders. Stets erscheint es mir wie ein Wunder, dass der Winterschneeball in Eis und Kälte erblüht. Seine rosafarbenen Blütendolden verströmen einen vanilleartigen Geruch, der an schweres, süsses Parfum erinnert und von neuem Erwachen erzählt.

Und wenn nach dem Winter eine Welle von Knoblauchduft durch den Wald strömt, zeigt mir der Bärlauch, dass der Frühling wieder da ist. Mein duftendes Jahr beginnt neu und ich erinnere mich weit zurück in meine Kindheit. Stets wusste ich, wo die ersten Schlüsselblumen blühten, und freute mich darauf, meine Mutter mit einigen der zart duftenden Frühlingsboten zu überraschen. So verteilen sich meine Lieblingsdüfte über das ganze Jahr. Ich bin dankbar, dass sie mir immer wieder Erinnerungen an Menschen, Erlebnisse und Gefühle aus jeder Lebensphase schenken.

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