Das Land der unerkannten Kasten
In Wikipedia heisst es zum Kastenwesen, dass es in der Ethnologie und Soziologie ein vorrangig aus Indien bekanntes und religiös begründetes und legitimiertes soziales Phänomen der hierarchischen Einordnung und Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppen bezeichnet. Die Einteilung nach Sozialstrukturen betrifft vor allem Status, Heirat und Arbeitsteilung.
Kastenwesen auch hier
Als ich vor rund 45 Jahren in Heiden zu arbeiten begann, gab es den «katholischen Metzger» oder den «reformierten Bäcker». Die verschiedenen Lebensmittel wurden von einigen Leuten gemäss der Religionszugehörigkeit eingekauft. Für mich war diese Unterscheidung ein Unding, denn in meiner Familie wurde dort eingekauft, wo es das Schmackhafteste gab, nicht nach Kasten. Und hier sind wir beim Thema. Kasten in der Schweiz. Sie werden sagen, die gibt es nicht! Wirklich nicht?
Heirat mit … ist nach wie vor ein Thema
Damals wurde so manche Mischheirat zwischen evangelischen und katholischen Heiratswilligen verhindert, im Namen der Kaste wurde Liebe torpediert. Ganz gegen den Grundsatz der Nächstenliebe, also eine grosse Ungerechtigkeit. Heute ist in manchen Familien das Entsetzen gross, wenn der Partner oder die Partnerin aus einer anderen Religion stammt. Wenn der zukünftige Mann ein Moslem ist? Für einige auch heute ein Faktor, dass die Ehe unter einem schlechten Stern stehe. Da treffen Welten, Weltansichten, Kulturen, Traditionen oder eben Kasten mit ihrer Moral aufeinander. Dieses Kasten- oder Schubladendenken fördert Ungerechtigkeiten.
Die modernen Kasten
Gibt es moderne Kasten? Ob sie religiöser Natur oder aus der elektronisch vernetzten Welt entstanden sind, macht nicht viel Unterschied. Sie fühlen sich zusammengehörig, bilden Gemeinschaften, da ihnen das Bestehende wenig oder keinen Sinn vermittelt! Enttäuschte, Erzürnte, Zweifelnde. Neue religiöse Bewegungen bilden Gruppen, Kasten. Gleichzeitig mit dem gegründeten Kollektiv werden darin die Grenzen der Realität gemäss eigenen Regeln verändert und verschoben. Das gibt den «Oberen» dieser Organisationen Macht und Manipulationspotential. Mitglieder leben ein begrenztes Leben in engen Leitplanken. Das bedeutet die Kaste in der Kaste. Die Befehlegebenden und die Befehleerhaltenden oder -ausführenden. Gerechtigkeit ist damit ausgehebelt und aufgehoben.
Ausserhalb von Religiosität
Stichworte sind wirtschaftliche «Könige» – Lobbyisten – mit ihren Verbindungen in die Politik. Auch hier geht es um die Manipulation zu Gunsten einer Kaste. Politische Entscheide sollen einem Wirtschaftszweig dienen. Es geht nicht um das Wohl der Allgemeinheit, auch nicht um Gerechtigkeit, sondern um den Profit. Das Feld von Arm zu Reich ist in der Schweiz beinahe unendlich. Privilegierte bis Randständige. In Indien unterstützen Angehörige der höchsten Kaste (Pfarrleute gehören dazu) die Kastenlosen mit Essen aus Grossküchen.
Gefährlich oder nur eigenwillig
Ein solches Kastenwesen ist in meinen Augen wesentlich gefährlicher als ein offizielles mit definierten Lebensräumen, keinen diffus vorhandenen Strukturen wie hier. Für mich steckt die Schweiz in Beziehung auf das Erkennen ihres Kastenwesens noch in den Kinderschuhen. Zuerst müssten die Kasten in unserem Land erkannt, definiert und dann zu Gunsten von Gerechtigkeit und Demokratie geregelt werden.
Das Land der unerkannten Kasten