Wissen, wie man Sterbende begleitet

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05.03.2020
Letzte-Hilfe-Kurse sind gefragt und gut besucht. Mit -zunehmendem Alter stehen Menschen vor der Frage, was sie tun können, um Sterbenden die letzten Stunden zu erleichtern. Der Kirchenbote besuchte einen Kurs in der Kirchgemeinde Basel West.

Mit dem Tod und dem Sterben befasst Mann sich in aller Regel nur ungern. Woody Allen witzelte darüber: «Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich möchte bloss nicht dabei sein, wenn es passiert.» Bezeichnenderweise fanden sich unlängst rund zwanzig Frauen und nur gerade ein Mann zum Kurs «Letzte Hilfe» im Kirchgemeindehaus Oekolampad ein. Zur Motivation gefragt, erklärten die meisten der Teilnehmenden, dass sie nicht unbeholfen sein möchten, wenn sie ihre Angehörigen auf dem letzten Lebensabschnitt begleiten müssten.

Das Sterben kennt unterschiedliche Verläufe
Kursleiterin und Spitalseelsorgerin Dorothee Dieterich stellte eingangs klar, dass im Kurs nicht das eigene Sterben, sondern das der anderen im Mittelpunkt stehe, und das sei mitunter aufwendig. «Schwerkranke beim Sterbeprozess zu begleiten, erfordert viel Zeit und Geduld», gab Dieterich zu bedenken. Genügend Zeit dürfe und solle man sich auch nehmen, wenn der Tod zu Hause eintritt. «Sie müssen nicht sofort einen Arzt anrufen, der den Tod bestätigt. Es gibt keine zeitliche Verpflichtung. Das gilt im Übrigen auch für Bestattungsunternehmen.» 
Co-Kursleiter Klaus Bally, ehemaliger Hausarzt und Dozent für Palliative Care an der Universität Basel, bestätigte aus seiner Berufspraxis, dass der Aspekt Zeit zentral sei. «Heute möchten die Leute von den Ärzten am liebsten im Voraus den genauen Todeszeitpunkt des schwerkranken Angehörigen wissen, damit sie ihre nächsten Termine planen können.» Man müsse sich aber im Klaren sein, dass die Voraussage des Todes bei einem Sterbenden für einen Arzt schwierig sei. Es gebe beim Sterben sehr unterschiedliche Verläufe, es komme auch vor, dass Menschen erst dann sterben möchten, wenn niemand anwesend ist.

Zeit und Geduld
«Sterbende wollen in ihren Bedürfnissen ernst genommen werden, man kann ihnen viel Gutes tun», sagte der Arzt Klaus Bally. In Teilen von England werde der Begriff der Palliative Care zunehmend durch den Begriff Supportive Care (Unterstützende Hilfe) ersetzt. Es brauche im Prinzip wenig, um das Leiden eines Sterbenden zu lindern. «Vieles kann gemacht werden ohne medizinische Ausbildung», so Bally. Meist gehe es darum, für den Sterbenden da zu sein, ihm die Hand zu halten, ihm je nach Wunsch vertraute Musik vorzuspielen und vor allem Zeit für ihn zu haben. Am Lebensende benötigen Menschen vergleichsweise wenige Medikamente. In der Regel ist zur Leidenslinderung das sogenannte Palliativpäckchen ausreichend, das aus drei Medikamenten besteht: Morphin gegen Schmerzen und Atemnot, Haloperidol gegen Übelkeit und Verwirrtheit sowie ein einfaches Medikament gegen Verstopfung. 

Unsicherheit ist normal
Das Sterben sei ein langer Prozess, der beginne, wenn jemand mit Aktivitäten aufhört, die er ein Leben lang ausgeübt hat. Fast alle schwerkranken Patienten lebten auf zwei Ebenen, sagt Pfarrerin Dorothee Dieterich. «Auf der realistischen Ebene ist ihnen bewusst, dass sie nicht mehr lange zu leben haben. Auf der anderen Ebene sind sie mit dem Leben verbunden. Wohlwissend, dass sie den nächsten Winter nicht mehr erleben, erzählen sie von ihren schönen Erlebnissen und ihren nächsten Projekten.» Im Umgang mit Sterben, Tod und Trauern seien wir alle unsicher, ist Dieterich überzeugt. Schliesslich könne man sterben nicht üben. 

Der nächste Kurs «Letzte Hilfe» der Kirchgemeinde Basel West findet am Montag, 22. Juni, von 16–21 Uhr, an der Schönenbuchstrasse 9 in Basel statt. Die Kursleitung liegt wiederum bei Pfarrerin Dorothee Dieterich und dem Arzt Klaus Bally. 

Toni Schürmann, 5. März 2020

Die Kursanbieter im Überblick: www.palliative-bs-bl.ch/kurse.html

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