Ein Leben für die Nächstenliebe

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21.05.2018
Mit seinem Schlapphut, den markanten Worten und seinem Engagement repräsentierte er das soziale Engagement der reformierten Kirche: Pfarrer Ernst Sieber. Am 19. Mai ist der Obdachlosenpfarrer im Alter von 91 Jahren gestorben.

Ernst Sieber war das soziale Gewissen der Schweiz: In eisigen Winternächten suchte er mit Freiwilligen die Obdachlosen auf und brachte sie in seine Sozialwerke. Und als der Platzspitz in Zürich aufgelöst wurde, suchte er für die Drogenabhängigen Unterkünfte. Für ihn gehörten der christliche Glauben und soziales Engagement eng zusammen. Das eine war für ihn ohne das andere nicht denkbar.

Vom Bauerknecht zum Theologen
Am 24. Februar kam Ernst Sieber in Horgen auf die Welt. Er arbeitete als Bauernknecht und besuchte 1947 die landwirtschaftliche Schule Strickhof. Die Verbundenheit zur Scholle und zu den Bauern hat Sieber sein Leben lang begleitet. Später zog er sich auf abgelegene Höfe zurück, um aufzutanken, zu schreiben und künstlerisch zu arbeiten.

Auf dem zweiten Bildungsweg machte Sieber die Matura und studierte Theologie. Seine erste Pfarrstelle trat er in Uitikon-Waldegg an. Seine zweite übernahm Ernst Sieber 1967 in Zürich-Altstetten, in diesem Pfarramt blieb er bis zu seiner Pensionierung. Verheiratet war Ernst Sieber mit der Sängerin Sonja Sieber-Vasalli, die er liebevoll «Sünneli» nannte. 

Als 1963 der Winter so kalt war, dass der Zürichsee zufror, richtete Ernst Sieber in einem alten Bunker eine Unterkunft für die Obdachlosen ein. Aus dieser Aktion entstand über die Jahre die Stiftung Pfarrer Ernst Sieber, die über die verschiedensten sozialen Einrichtungen verfügt. Als Letztes lancierte die Stiftung den «Pfuusbus», in dem Obdachlose übernachten können.

Christlicher Glaube und Nächstenliebe
Für Ernst Sieber gehörten Christsein und Nächstenliebe zusammen. Er half den Notleidenden direkt, unkompliziert, manchmal eigenwillig und stiess damit die Behörden vor den Kopf. In seinen Predigten prangerte er die Gleichgültigkeit an und ermunterte die Menschen zur Nachfolge Christi.

Siebers Botschaft war die Nächstenliebe und die Solidarität mit den Randständigen, Obdachlosen, Drogenabhängigen, Aidskranken und Ausgegrenzten. Unvergessen seine Auftritte im «Wort zum Sonntag», als er den einschränkenden Rahmen zum erlösenden und öffnenden Kreuz umbaute. Und wie er während den Jugendunruhen in den 80er-Jahren mit seinem Esel den Demonstrationszug anführte.

Für sein Engagement wurde Ernst Sieber geehrt: 1987 verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Zürich die Ehrendoktorwürde, 2013 erhielt er von der Stadt Zürich das «Stadtsiegel».

Tilmann Zuber, kirchenbote-online.ch, 21. Mai 2018

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