Lernen durch Begegnung

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14.05.2018
Ende August 2019 will das Heks 200 Reformierte aus Siebenbürgen (Rumänien) in die Schweiz einladen. Jetzt sucht es Gastfamilien.

In Zürich wird nächstes Jahr noch einmal Reformationsjubiläum gefeiert. Diesmal geht es nicht um Luther, sondern um Zwingli, der 1519 seine Stelle als Leutpriester am Grossmünster antrat. Zu diesem Anlass sollen 200 Mitglieder der siebenbürgischen reformierten Kirche in die Schweiz eingeladen werden. Insgesamt hat diese Kirche rund 430‘000 Mitglieder, sie gehören zur ungarisch-sprachigen Minderheit in Rumänien.

Seit 1540 Beziehungen zur Schweiz
Für Schweizer Reformierte ist das von Bergen und Wäldern geprägte Siebenbürgen gar nicht so weit entfernt, wie man meinen könnte. Und das schon seit fast 500 Jahren, als man noch nicht in 14 Stunden mit dem Auto von Klausenburg nach Zürich fahren konnte. Ungarische Wanderstudenten knüpften in den 1540er-Jahren Verbindungen zu Calvin und Bullinger, das Interesse der Schweizer war geweckt, ungarische Reformatoren taten das Ihre. In den folgenden Jahrzehnten zeigten sich die Zürcher immer wieder solidarisch mit den durch Kriegen und osmanische Besetzung gebeutelten Glaubensbrüdern- und Schwestern. Diese erhofften sich eine klare geistliche Linie und eine stabile Ordnung, um den Wirren der Umgebung etwas entgegenzusetzen. Bullingers extra für sie verfasste Schrift «Libellus Epistolaris» mit Anleitungen zu Glaubens- und Kirchenthemen wurde 1559 begeistert aufgenommen.

1564 wurde die ungarische reformierte Kirche begründet, die lange Zeit den Beinamen «helvetisch» führte. Zu den Glaubensgrundlagen zählt neben dem Heidelberger Katechismus Bullingers Zweites Helvetisches Bekenntnis. Theologisch hatten Calvins Schriften einen noch grösseren Einfluss als die der Zürcher. Mit diesen Wurzeln in Zürich und Genf sind die Siebenbürger Reformierten tatsächlich auch ein bisschen Schweizer Reformierte.

Erfahrung des Austausches
Und jetzt kommen sie also wieder in die Schweiz. Verantwortlich für das Projekt ist Matthias Herren vom Heks, das schon lange in der Region tätig ist. Zusammen mit einem Team aus drei Kantonalkirchen rührt er gerade die Werbetrommel, konzipiert Flyer, berät interessierte Kirchen und Kirchgemeinden, bei ihrer Suche nach Gastfamilien. Denn nur wenn sich genügend Schlafplätze finden, kann die grosse Reise stattfinden.

In der Schaffhauser Kantonalkirche ist Pfarrerin Karin Baumgartner-Vetterli für das Projekt zuständig. Sie habe viel gelernt durch die Kontakte zu ungarisch-sprachigen Theologinnen, für die sie eine jährliche Weiterbildung organisiert, sagt sie. Auch ihre Kirchgemeinde Schaffhausen-Steig hat durch eine Partnergemeinde in Ostungarn Erfahrung mit dieser Art von Austausch. Jetzt ist es Baumgartner-Vetterlis Ziel, auch bei anderen Kirchgemeinden im Kanton das Interesse für dieses Projekt zu wecken.

Denn sie ist überzeugt, dass es sich lohnt: «Wenn wir einander zuhören, können wir wirklich etwas voneinander lernen». So können Schweizer Reformierte vielleicht etwas von einer Kirche lernen, die trotz prekärer Verhältnisse am Wachsen ist, in der es kein Problem ist, an einem Sonntag drei Gottesdienste vollzukriegen. Oder die Siebenbürger, dass kirchliches Lebens ausser Gottesdienst und Katechismus noch vielfältige andere Ausdrucksformen bereithält und dass Frauen in Leitungspositionen eine Bereicherung sein können.

Die Arbeit ist angelaufen, die Ideen sind da, und Baumgartner-Vetterli ist zuversichtlich, dass alles klappt und dass es für alle ein Gewinn sein wird: «Wir freuen uns sehr auf dieses Projekt», sagt sie.

Marianne Weymann, kirchenbote-online, 14. Mai 2018

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