«Ein Mond für Mama»

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30.05.2022
Die Schaffhauser Spitalseelsorgerin Claudia Henne hat ein Bilderbuch verfasst, das Kindern hilft, die Parkinsonkrankheit zu verstehen.

Vincents Mama ist in letzter Zeit oft müde. Als sie eines Tages deswegen den Bus verpasst, sucht sie den Arzt auf. Sie kommt mit einer Diagnose heim, von der Vincent noch nie gehört hat und die viele Fragen bei ihm auslöst.

So beginnt die Geschichte von Vincent und seinen Eltern im Buch «Ein Mond für Mama» von Claudia Henne, Spitalseelsorgerin am Kantonsspital Schaffhausen. Das Bilderbuch erzählt, wie Vincent und seine Familie sich mit einem neuen «Familienmitglied» auseinandersetzen müssen: der Parkinsonkrankheit der Mama.

Auch junge Betroffene
Die Autorin Claudia Henne hatte die Idee, ein Kinderfachbuch über Parkinson zu schreiben, weil sie die Krankheit aus ihrer eigenen Familie kennt: «Parkinson ist schwer zu fassen, weil die Symptome vor allem zu Beginn diffus auftreten. Ich habe überlegt, was helfen könnte, um mit Kindern darüber zu reden.» Die Krankheit ereilt vor allem ältere Personen. Doch zirka vier Prozent aller Parkinsonbetroffenen sind jünger als 50 Jahre: «Bei diesen Betroffenen, die mitten im Berufs- und Familienleben stehen, löst diese Diagnose besonders grosse Verunsicherung aus.»

Die vierfache Mutter weiss aus Erfahrung, wie wichtig es ist, Krankheiten vor Kindern nicht zu tabuisieren: «Es ist hilfreich, Kindern ein Bild oder eine Metapher zu geben, die sie mit ihrem eigenen Erfahrungsschatz verbinden können, damit das Thema nicht abstrakt bleibt.» Wichtig sei, eine Perspektive zu vermitteln: «Kinder brauchen die Sicherheit, dass man eine Situation bewältigen kann. Und das möchte ich mit dem Buch aufzeigen: Das Leben geht weiter trotz Parkinson. Zwar anders – aber durchaus lebenswert.» Gemeinsame Gespräche können Kinder auch von der Sorge befreien, selber zu erkranken oder daran schuld zu sein, dass es Mama oder Papa nicht gut geht: «Es entlastet die Kinder, wenn sie auf ihre Art verstehen können, wie eine Krankheit funktioniert.»

Diese Gespräche müssen nicht ausschliesslich zwischen den Eltern und dem Kind stattfinden: «Die Diagnose Parkinson erschüttert, weil die Krankheit unheilbar ist und fortschreitend. Es braucht Zeit, um sich als betroffene Person, als Paar und als Familie damit auseinanderzusetzen. Manchmal ist den Eltern ein souveränes Gespräch mit den Kindern erst mal nicht möglich. Grosseltern, Paten oder Freunde können deshalb gute Ansprechpersonen sein.»

Das Bild des Raumanzugs
Vincent, der junge Protagonist, findet mit dem Bild eines Raumanzugs Zugang zu der Krankheit seiner Mutter. Zusammen mit seinen Eltern reist er zum Mond, wo sich Vincents Mama endlich leichter fühlen kann. Damit erhält die Thematik Parkinson eine Prise Leichtigkeit, die sich Claudia Henne für betroffenen Familien erhofft: «Ich wünsche mir, dass sich beim Lesen dieser Geschichte die Hoffnung ins Unterbewusstsein einpflanzt. Es ist möglich, dass wir mit dieser Krankheit und miteinander einen Weg finden und es wieder Momente und Zeiten von Freude und Leichtigkeit gibt.»

Die Autorin hat mit dem Bild des Raumanzugs bewusst ein Bild gewählt, das sowohl Schwere als auch Leichtigkeit ausdrückt: «Ich habe zwar noch nie einen Raumanzug getragen, aber ich stelle mir vor, dass man sich darin nicht gut bewegen kann. Ähnlich wie bei Parkinson, wenn die Bewegungen mühsam werden.» Gleichzeitig steht der Anzug für die Leichtigkeit im Weltall und für einen spielerischen, kreativen Umgang mit der Krankheit.

Steiniger Weg zum Verlag
Die Idee für das Buch hatte die Autorin über Jahre mitgetragen. In der ersten Fassung wäre Vincent ein Bärenkind gewesen – mit Kleinkindern als Zielgruppe vor Augen. Doch die Verlage winkten ab, auch weil sich das Buch mit der Thematik «Parkinson bei Jungbetroffenen» an eine kleine Zielgruppe wendet. «Das war niederschmetternd, aber schliesslich schrieb ich die Geschichte auf eine Menschenfamilie um», erinnert sich Henne. Sie entschied, das Buch im Selbstverlag erscheinen zu lassen. Eine Illustratorin für ihre Texte fand sie in der Münchnerin Sathya Schlösser. «Als das druckfertige Manuskript vorlag, erhielt ich eine Zusage vom Mabuse- Verlag.» Im zweiten Teil des Buches liefern Dominik Müntener, Leitender Arzt für Neurologie, sowie die Psychologin Corinne Kamm Fachinformationen über die Krankheit.

Adriana Di Cesare

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