Kirche leben unter Kriegsbedingungen

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23.01.2023
Das Leben der ungarischsprachigen reformierten Kirchgemeinden, die in Transkarpatien im Westen der Ukraine beheimatet sind, hat in den 1990er-Jahren ganz neu begonnen. Die junge, lebendige Kirche existiert seit einem Jahr unter den Bedingungen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine.

Wo Sirenen täglich über Stunden vor der Möglichkeit von Raketeneinschlägen warnen, wo sich inzwischen Männer mit über 60 Jahren vor der Einberufung fürchten müssen, suchen die betroffenen Menschen Erfahrungen von Stabilität. Kirche ist hier wesentlich. «Wo in der Kirche noch Gottesdienst gefeiert wird und der Pfarrer, die Pfarrerin ihren Dienst versieht, da gibt es noch eine Ordnung und einen Ort, wohin man gehen kann», sagen die Menschen. «Das zeigt auch: Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass es wieder anders wird.»

Stabilität erfahren
In Krisenzeiten an Strukturen festzuhalten, damit diese bestehen bleiben, ist eine Voraussetzung für Stabilitätserfahrungen. Dessen ist sich auch der Kirchenrat der Reformierten Kirche in Transkarpatien bewusst. Auch darum setzte er alles daran, die anstehenden kirchlichen Wahlen statutengerecht durchzuführen. Die erneute Wiederwahl von Zán Fábián Sándor* zum Bischof und Héder János zu seinem Stellvertreter sind ebenfalls Ausdruck der Suche nach Stabilität. Beide sind seit 16 Jahren im Amt und verfügen über grosse Erfahrung und Weisheit im Umgang mit Krisensituationen.

Geschwisterliche Solidarität wahren
Einer der ersten, der nach der Wahl durch seinen Besuch die Verbundenheit gerade auch in der Not zum Ausdruck brachte, war zum Jahresende Bischof Balog Zoltán, Vorsitzender der Gesamtsynode der reformierten Kirchen in Ungarn. Wie schwer es ist, auch im Alltag eine gewisse «Normalität» in einer so aussergewöhnlich belastenden Lage aufrecht zu erhalten, erläuterte er in einem Fernsehinterview. So sei zum Beispiel der Schulunterricht nur bei ausreichend vorhandenem Schutzraum durchführbar und werde laufend durch den Alarm, der dazu zwinge, diese Räume aufzusuchen, gestört.

Stromausfall schränkt ein
Kerzen bedeuten derzeit keine Romantik, sondern dienen der Beleuchtung bei Stromausfall, der das Leben stark einschränkt. «Es gibt Frauen, die stehen in der Nacht auf, wenn gerade Strom vorhanden ist, um dann Wäsche zu waschen und zu kochen», so ist zu hören. Es gibt viele Menschen, die sich am Rand körperlicher und seelischer Erschöpfung bewegen. Gerade sie brauchen Sicherheit und Stabilität, um die Hoffnung nicht zu verlieren. Dazu tragen die Reformierte Kirche und die Kirchgemeinden bei.

*Ungarische Namen werden in der Reihenfolge Nachname – Vorname genannt.

 

(Karin Kaspers Elekes)

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