Veraltet oder attraktive Reklame?

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22.10.2021
Die Hinweistafel «Gottesdienst» ist in der Signalisationsverordnung verankert und gilt als Informationshinweis. Immer weniger Kirchgemeinden sehen jedoch noch eine Werbewirkung darin. Viele entfernen sie. Andere setzen die Tafel gezielt als Teil der Kommunikation ein, gerade auf dem Land.

Die blaue Gottesdiensttafel war früher entlang den Schweizer Hauptstrassen an den meisten Ortseingängen anzutreffen. Darauf waren die Anfangszeiten der üblichen evangelischen und katholischen Gottesdienste ersichtlich. Als der Bund im Jahr 2010 die Signalisationsverordnung entrümpeln wollte, hat er im ersten Entwurf vorgeschlagen, dass die Hinweistafel «Gottesdienst» an den Ortseingängen nicht mehr im «Sortiment» geführt werden sollte. Doch die Abschaffung der blauen Hinweistafel ist insbesondere bei Kirchenvertretern in den Tourismusregionen auf Widerstand gestossen. So findet sich die Tafel «Gottesdienst» im Artikel 62 der Signalisationsverordnung weiterhin in bunter Gesellschaft mit «Zeltplatz, Wohnwagenplatz, Telefon oder Erste Hilfe».

Tafel markiert Präsenz
Vor drei Jahren wurde in Bischofszell eine Gottesdiensttafel wegen eines Bauprojekts verschoben. Statt diese ganz zu entfernen, fand man eine gute Lösung, indem die Tafel an einem bestehenden Kandelaber montiert wurde. Auf dieser Tafel sind die evangelischen Gottesdienstzeiten und die Internetadresse der lokalen Kirchgemeinde zu sehen. Der damalige Präsident der Evangelischen Kirchgemeinde Bischofszell-Hauptwil, Roman Salzmann: «Wir haben entschieden, dass eine solche Tafel, die sogar gesetzlich ermöglicht wird, durchaus eine Möglichkeit ist, um als Kirche im Ort Präsenz zu markieren.» Es sei ihm jedoch bewusst, sagt der Kommunikationsfachmann, dass diese Tafel allein nicht die grossen Mengen an Gottesdienstbesuchenden auslöst – indes: «Es ist ein Mosaikstein im Kommunikationsmix, den man aufgrund der privilegierten Lagen an den Ortseingängen nicht einfach aufgeben darf.»

Zeiten und Orte variieren
Dass in den letzten Jahrzehnten viele Hinweistafeln an den meisten Hauptstrassen verschwunden sind, beobachtet Ernst Ritzi, Aktuar des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau. «Inhaltlich besteht die Schwierigkeit der wechselnden Gottesdienstzeiten und -orte. Im Zeitalter von Internet und Social Media hat eine Hinweistafel an der Strasse wohl an Bedeutung verloren. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Tafel durch einen Hinweis auf die Internet-Adresse neu belebt werden könnte», sagt Ritzi.

Wie halten es die Kirchgemeinden?
Die Ansichten über die Gottesdiensttafeln in den Kirchgemeinden sind gemischt, wie eine Umfrage bei Präsidentinnen und Präsidenten evangelischer Kirchenvorsteherschaften im Thurgau zeigt. «Die letzte Tafel liessen wir vor zwei Jahren entfernen. Die Tafel war – vermutlich durch den Einfluss der Witterung – unansehnlich geworden und ausserdem stimmten die angeschriebenen Zeiten nicht mehr. Bisher meldete sich niemand, der sie vermisst hätte», sagt Heinrich Krauer aus Münchwilen Eschlikon. Ähnlich tönt es in Güttingen. Gemäss Ruedi Schum «wurden die Gottesdiensttafeln vor einigen Jahren aus Gründen des wechselnden Beginns der Gottesdienstzeiten entfernt».

Nicht nur weil die Gottesdienstzeiten flexibler geworden sind, verschwinden die Tafeln. Sie seien zu aufwendig, veraltet, unattraktiv und würden kaum beachtet heisst es. So etwa in Roggwil: «Wir haben beschlossen, die Tafeln ersatzlos zu entfernen. Grundsätzlich sind sie nicht mehr zeitgemäss und finden kaum noch Beachtung», erklärt Rolf Hauser. Und Evelyn Knupp aus Wigoltingen-Raperswilen meint: «Gottesdiensttafeln sind wahrscheinlich ein veraltetes Modell, um auf die Gottesdienste aufmerksam zu machen. Auch optisch sind sie wenig attraktiv. Die Zeitung wird da eher angesehen oder die sozialen Medien wie Facebook und Instagram».

Für Edi Ulmer aus Felben sind «eigentliche Gottesdiensttafeln sinnvoll. Der Aufwand für unsere an sich kleine Kirchgemeinde mit etwa 1’000 Seelen wäre allerdings recht gross.» Auch in Stettfurt kommen keine Gottesdiensttafeln mehr zum Einsatz. «Ganz persönlich» findet es Susanne Schiesser Beeler aber «schön, dass sie in unserer digitalen Welt doch noch existieren – vielleicht aus der Nostalgie heraus?».

Jana Grütter, kirchenbote-online

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