Reformierte in Österreich - ein Blick in die Geschichte

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19.10.2021
Pfarrer René Hausheer-Kaufmann schreibt über den alljährlichen Reformationssonntag. Der erste Sonntag im November bietet die Gelegenheit, den Spuren der Reformation in anderen Ländern nachzugehen.

Dieses Jahr feiern die Evangelischen Kirchen in Österreich ein wichtiges Jubiläum. Vor 200 Jahren, am 2. April 1821, wurde die Evangelisch-Theologische Lehranstalt Wien gegründet. Dies war ein Meilenstein auf dem Weg zur Anerkennung des Evangelischen Glaubens in Österreich. Denn nun hatten neben der Katholischen Kirche auch die Evangelischen eine eigene Ausbildungsstätte für ihre Pfarrerschaft.

Aus der Reformation gingen in Österreich zwei evangelische Kirchen hervor. Zum einen die  Evangelische Kirche A.B., mit rund 265'000 Mitgliedern, fusst auf dem Augsburger Bekenntnis (A.B.) und gehört zur lutherischen Kirchenfamilie. Zum andern die Evangelische Kirche H.B. mit 12'000 Mitgliedern, wobei H.B.  für das Helvetische Bekenntnis von Heinrich Bullinger steht, dem Nachfolger von Ulrich Zwingli. Zusammen ergibt sich ein Bevölkerungsanteil von rund 3 Prozent.

Am Ende des 16. Jahrhundert war die Bedeutung der Evangelischen in Österreich viel grösser als heute, machten sie doch zwei Drittel der Bevölkerung aus. Einen grossen Einfluss auf diese starke Verbreitung hatte der Umstand, dass vor allem auch die Mehrheit des Adels und der Wiener Bevölkerung sich dem neuen Glauben angeschlossen haben. Dies geschah im Zuge der Reformation in Deutschland, von wo aus das neue Gedankengut nach Österreich hineingetragen wurde. Es ging wohl - wie in Deutschland auch - nicht nur um die für richtig befundene Ausrichtung des eigenen Glaubens - sondern auch um eine gewisse Emanzipation des Adels und des Bürgertums von der katholischen Kirche und dem Königshaus. Evangelische Gottesdienste durften damals in Wien übrigens nicht innerhalb der Stadt gefeiert werden. So pilgerten unzählige Menschen jeden Sonntag in die umliegenden Dörfer, um an Gottesdiensten teilzunehmen.

Im Zuge der Gegenreformation wurden im 17. Jahrhundert die evangelischen Adeligen als Träger der Reformation entmachtet und vertrieben. Evangelische konnten ihren Glauben nur noch im Geheimen leben. Erst durch das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. aus 1781 war es den Evangelischen wieder gestattet, Gottesdienste zu feiern und Gemeinden zu gründen, allerdings mit vielen Einschränkungen. So durften beispielsweise die Gotteshäuser von aussen nicht als Kirchen erkennbar sein (kein Turm, keine Glocken), und über keinen strassenseitigen Eingang verfügen. Eine relative rechtliche Gleichstellung mit der katholischen Kirche wurde erst 1861 durch den Kaiser Franz Joseph I gewährt, die volle dann im Jahr 1961.