Ein Ort des Lernens, des Austauschs und des Miteinanders

von Noah Pilloud, reformiert.info
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23.08.2021
Im Süden von Bern blühen und gedeihen auf kleinem Raum unzählige Pflanzen. Das Projekt «Food for Souls» bietet aber mehr als einen Permakultur-Gemeinschaftsgarten.

Im Gewächshaus ist es angenehm warm, in der Mitte ranken Kletterpflanzen empor, auf den Ablagen links und rechts stehen zarte Setzlinge. «Im Frühling ist es hier drin immer rumsvoll», erzählt Melanie Dettling. Seit eineinhalb Jahren ist sie Teil des Projekts «Food for Souls». Am Rande von Bern, hinter dem ehemaligen Zieglerspital gleich gegenüber des Gymnasiums Lerbermatt, betreibt das Projekt einen Permakulturgarten.

Dettling erklärt die Idee der Permakultur folgendermassen: «Der Garten soll ein geschlossenes System, ein Kreislauf sein.» So wird das Schnittgut konsequent zu Kompost verarbeitet, Rasenschnitt gelangt als Mulch zur Verwendung, und eigene Jauche wird hergestellt. Zudem soll alles mehr als eine Funktion haben. Ein gutes Beispiel liefern die «drei Schwestern» Mais, Bohnen und Kürbis, «ein Klassiker in der Permakultur», wie Melanie Dettling sagt. Die Anbaumethode sei von indigenen Völkern Mittel- und Nordamerikas entwickelt worden. Die Bohnen bringen dabei Stickstoff in den Boden, der von den anderen Pflanzen genutzt wird. Die grossen Blätter der Kürbispflanze halten die Feuchtigkeit zurück, und der Mais wiederum dient der Bohne als Rankstange.

Solche Mischkulturen, die sich gegenseitig unterstützen, finden sich zuhauf im Permakulturgarten. Melanie Dettling zufolge seien diese aber keine reine Erfindung der Permakultur: «Viele dieser Methoden sind allgemein im Biogartenbau verbreitet.»

Neben verschiedenen Anbauprinzipien verfolgt die Permakultur den Grundsatz Earth Care, People Care, Fair Share. «Wir kümmern uns also nicht nur um die Erde, wir schauen auch aufeinander und teilen den Ertrag gerecht auf», erläutert Dettling. Was sich nach strenger Rechnerei anhört, sei tatsächlich ganz unkompliziert: «Wer helfen kommt, nimmt am Ende meist etwas mit nach Hause – dabei sind eigentlich immer alle solidarisch.»

Ein Gartenprojekt mit sozialer Dimension​
Im Projekt machen ganz unterschiedliche Menschen mit. Die meisten wohnen aber in der Nähe des Gartens. «Ich selber bin durchs Internet auf Food for Souls gestossen, als ich nach dem Umzug nach Bern Gartenprojekte suchte», erzählt Melanie Dettling.

Man merkt schnell, dass die Sache mit der «People Care» nicht nur ein dahingesagtes Motto ist. Die Leute, die hierher kommen, geniessen die Gemeinschaft ebenso wie die Gartenarbeit. «Eine offene und gemütliche Atmosphäre ist uns wichtig», sagt Melanie Dettling. Der Garten sei für alle offen, und alle sollten sich hier wohl fühlen.

Früher seien ab und an die Geflüchteten aus dem Bundesasylzentrum nebenan vorbeigekommen. Doch seit deren Aufenthalte im Zentrum kürzer geworden seien, habe sich das nicht mehr ergeben. Das Projekt erhielt im Jahr 2019 sogar den Sozialpreis der Stadt Bern.

Neben dem Ertrag werden auch Wissen und Rezepte geteilt. «Es ist ein Ort des Lernens, des Austauschs und des Miteinanders», sagt Melanie Dettling. Sie sei schon mit unzähligen Nutzpflanzen in Berührung gekommen, die sie vorher nicht gekannt habe. «Das hier beispielsweise ist Tigernuss», sagt sie und deutet auf ein breites, hohes Gras. Die Knöllchen davon sind beliebt als Nahrungsmittel.

Zwischennutzung bis 2025 – und danach? ​
Die Fläche, auf der sich der Garten erstreckt, war früher einmal Rasen. Heute finden sich hier Borretsch, Brennnesseln, Obst- und Nussbäume, Beeren aller Art und mannigfaltige Gemüsesorten. Das Ganze mag zwar aufgrund der Mischkulturen ein wenig unordentlich daherkommen; «es gleicht zeitweise einem Urwald», sagt Melanie Dettling. Dafür kommt der Garten ohne jegliche Spritz- und Düngemittel aus. Ausserdem bietet er viel Raum für Insekten, was sich positiv auf die Biodiversität auswirkt.

Was vor fünf Jahren als Zwischennutzung begann, dauert noch bis mindestens 2025. Ob die Stadt den Zwischennutzungsvertrag nochmals verlängern wird, ist unklar. Angesichts der gesteigerten Biodiversität und des sozialen Engagements ist der Verein aber diesbezüglich guter Dinge. Eine einzige Befürchtung hat Melanie Dettling dennoch: «Das Gewächshaus könnte uns eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen.»

Text und Bilder: Noah Pilloud, reformiert.info

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