«Flexibel sein und Ad-hoc-Lösungen finden»

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21.06.2021
Seelsorge im Spital ist nicht ausschliesslich Sterbebegleitung, wie Gudrun Dehnert und Adriaan Kerkhoven, Seelsorgende im Unispital Basel, verraten.

«Die meisten Menschen haben spirituelle Fragen», sagt Gudrun Dehnert, Seelsorgerin im Unispital Basel. «Sie spüren intuitiv, dass es mehr gibt, als man mit dem Verstand begreifen kann.» Meist seien solche Gespräche sehr intensiv. «Wir erfahren Dinge, über die man so leicht nicht spricht.» Selbstverständlich stehen die Seelsorgenden alle unter Schweigepflicht. Ziel der Gespräche mit Patienten und Angehörigen sei jeweils, da zu sein, Zeit zu haben, zuzuhören, neue Lebensperspektiven zu entwickeln und damit die Selbstheilungskräfte der Patienten zu fördern. Kollege Adriaan Kerkhoven pflichtet ihr bei. «Wir bewegen uns in einer anspruchsvollen, multikulturellen und multireligiösen Welt. Wir haben es sowohl mit vertrauten schweizerischen Familienstrukturen als auch mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun.» Es gehe darum, sich ständig auf neue Situationen einzulassen. Dies erfordere Einfühlungsvermögen, interdisziplinär konzertiertes Vorgehen und eine grosse Offenheit. «Wir führen Gespräche, gestalten Rituale, beten und feiern Gottesdienste.» Aufgrund der kulturellen Unterschiede wie der zunehmenden Auflösung der religiösen Begriffe seien Spitalseelsorgende aufgerufen, die Menschen immer wieder neu abzuholen. Das mache den Beruf sehr vielfältig.

Schneller Szenenwechsel
Die Seelsorge im Spital sei anspruchsvoll, weil die Szenarien schnell wechseln, die Intensität hoch bleibe, erklärt Adriaan Kerkhoven. «Ich spreche mit einem Patienten über dessen schwierige Krankensituation, und bei der nächsten Begegnung lasse ich mich wieder auf einen ganz anderen Menschen, seine Situation und sein Schicksal ein.» Da sei es wichtig, sich zwischendurch auch mal eine Pause zu gönnen, innezuhalten, damit der Kopf und das Herz wieder frei werden.

Die Seelsorge im Spital entspricht einem grossen Bedürfnis. «Oft rufen uns die Stationen an, wenn ein Patient jegliche Hilfe ablehnt, aber bereit ist, sich auf die Seelsorge einzulassen.» Wichtig sei dann, dem Menschen in seiner Krise Geborgenheit zu vermitteln und Nächstenliebe weiterzugeben. «Als Seelsorgende müssen wir flexibel sein und Ad-hoc-Lösungen finden.» Kerkhoven erzählt von einem georgischen Zahnarzt, der all sein Geld in die Krebsbehandlung steckte. Ohne Erfolg. Kerkhoven unterstützte ihn, damit er nach Georgien zurückreisen konnte, um dort zu sterben. «Wir müssen auch für solche Wünsche ein offenes Ohr haben und entsprechende Hilfe leisten.»

Persönlicher Ausgleich
Um sich nach intensiven Arbeitsphasen und Notfalldienst zu regenerieren, sei es wichtig, auch für sich selbst gut zu sorgen. «Im Privatleben muss ich jeweils bewusst etwas völlig anderes machen», unterstreicht Gudrun Dehnert. «Unsere Gedanken dürfen nicht ständig ums Spital kreisen, sonst fehlen die nötige Kraft und Ausdauer, um Patienten bei deren Schicksalsschlägen beizustehen.»

Toni Schürmann

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