«Ich habe oft mitgelitten»

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27.02.2021
Andreas Egli arbeitet seit 18 Jahren als Seelsorger, zehn Jahre davon am Kantonsspital Schaffhausen. Ende März tritt er in den Ruhestand und nimmt eindrückliche Erlebnisse mit.

Zurzeit ist es still in der Eingangshalle des Kantonsspitals Schaffhausen. Das Bistro Olive ist menschenleer und auf den Gängen begegnen sich kaum Besucherinnen und Besucher. Die Corona- Pandemie hält das Spital im Ausnahmezustand. Der Arbeitsort von Spitalseelsorger Andreas Egli befindet sich im Trakt E im Erdgeschoss neben dem Raum der Stille. Ende März tritt er in den Ruhestand und überlässt sein Büro seinen Nachfolgern Claudia Henne und Adrian M. Berger.

Der Pfarrer blickt auf bewegte Jahre als Seelsorger zurück und auf die vielen menschlichen Schicksale. Sie waren es auch, die ihn in diesen Berufszweig gezogen haben. «Mich interessieren Lebenswege auch hinsichtlich des Glaubens», sagt er. Im Spital müssen Menschen immer wieder Krisen meistern und sich neu orientieren. Leid ist dem Seelsorger dabei oft begegnet: «Ich habe oft in den Gesprächen mitgelitten, besonders beim Verlust eines Kindes », sagt er und erwähnt eine Mutter, die ihr halbjähriges Kind verloren hatte. «Zu ihr wurde ich als Notfall-Seelsorger gerufen. Ihre Verzweiflung ging mir sehr nahe.» Auch Frauen und Paare, die ihr Baby kurz vor oder während der Geburt verloren haben, bewegen Andreas Egli. «Solche Situationen sind schlimm und traurig, auch für das Team im Gebärsaal.»

Wichtige Freiwilligenarbeit
Ein Seelsorger müsse bereit sein, sich stets auf neue Begegnungen einzulassen. «Als Gesprächspartner hoffe ich, dass sich mein Gegenüber ein Stück weit öffnet», sagt der Pfarrer. Und er fügt an: «Nicht das, was ich als Seelsorger sage, steht im Vordergrund, sondern das, was der Patient in eigene Worte fassen kann.» Doch manchmal ist ein Patient nicht mehr in der Lage zu sprechen: «Auszuhalten, dass man nicht mehr tun kann, als einfach da zu sein, kann sehr schwer sein.» Das erfahren auch die Freiwilligen der Spitalseelsorge, die sich in der Sitzwache bei Schwerkranken und Sterbenden engagieren. Andreas Egli hat oft mit Freiwilligen gearbeitet. Ihre Aus- und Weiterbildung liegt ihm am Herzen. «Die Vielfalt der Persönlichkeiten ist spannend», sagt er und erzählt von einem Banker, der in einem Freiwilligenkurs zum ersten Mal erlebt hat, dass er über etwas Persönliches reden kann. «Als er das gemerkt hat, wollte er damit gar nicht mehr aufhören, so gut hat ihm das getan», erzählt Andreas Egli.

Als Spitalseelsorger hat er die Einsätze der Freiwilligen koordiniert und ein offenes Ohr gehabt für ihre Anliegen. «Ich habe viele Gespräche geführt, nachdem jemand eine schwierige Situation an einem Krankenbett erlebt hatte. Niemand sollte mit einem belastenden Erlebnis alleine bleiben.» Noch dürfen Freiwillige wegen der Corona-Pandemie nicht in den Einsatz. Im gesamten letzten Jahr war nur ein einziges Weiterbildungstreffen mit der Spitalseelsorge möglich, wo ansonsten sechs stattfinden: «Wir tauschen uns mittlerweile über Whatsapp und Skype aus. Einige Freiwilligen machen von diesem Angeboten gerne Gebrauch.»

Wertvolle Teamarbeit
Der Spitalseelsorger erlebte es auch, wie Menschen genesen. «Es war immer schön, zu sehen, wie jemand nach einer schlimmen Krankheitsphase wieder neuen Lebensmut schöpfte.» Als wertvoll erwies sich die Zusammenarbeit mit dem Spitalpersonal. «Die Pflegenden arbeiten nicht nur professionell. Sie nehmen einfühlsam jeden, so wie er ist. Von ihnen können wir alle viel lernen.» Wertvolles geschah auch im Unerwarteten: «Manchmal befand ich mich zufällig an einem Ort, an dem ich gerade gebraucht wurde. Etwa von den Angehörigen eines Sterbenden. Es tat ihnen gut, wenn jemand Anteil nahm, mit ihnen die Situation aushielt oder ein Gebet sprach.»

Adriana Di Cesare

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