«Diese Aufgabe hat meinen Glauben gestärkt»

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28.12.2020
Ende 2020 wird Kirchenratspräsident Heinz Fischer zurücktreten. Er hat in dem kleinen Kanton Schwyz viel vorangetrieben. Gleichzeitig ist die Zahl der Mitglieder stabil geblieben. Doch Herausforderungen bleiben.

Weshalb haben Sie Ihren Rücktritt angekündigt?
Ich war acht Jahre lang Kirchenratspräsident.Eine dritte Legislaturanzusteuern, die nochmals vier Jahreginge, wäre eine sehr lange Zeit. Daich nächstes Jahr 58 werde, ist jetztder richtige Zeitpunkt, diese Funktionin neue, jüngere, dynamischeHände zu legen.

Was hatte Sie motiviert, dieses Amt zu übernehmen?
Meine Frau ist Pfarrerin in Küssnachtam Rigi. Aus diesem Grund darfich in meiner Kirchgemeinde nichtaktiv tätig sein. Ich wollte mich in dieKirche einbringen, etwas für die Kirchetun. Als Kirchenratspräsidentkann ich mitwirken und mit der kirchlichenArbeit Neues kennen lernen,ohne meinen angestammten Berufaufzugeben. In meinem bisherigen Lebenwar ich schon anderweitig mehrgleisigunterwegs. Ich war Tennislehrerund gleichzeitig in der IT; icharbeitete lokal in der IT-Branche undnational im Schulungswesen, um nurzwei Beispiele zu nennen.

Reicht ein 30-Prozent-Pensum aus, um als Kirchenrat Dinge bewegen zu können?
Man kann viel bewegen, auch miteinem kleineren Pensum. Wir habendie spezielle Situation in unseremKanton, dass unsere Assistentin, BarbaraNiklaus, und ich die zwei einzigenangestellten Personen im Kirchenratsind.

Welche Erfolge können Sie vorweisen?
Die gesamte Hintergrundarbeitund unser Auftritt gegen aussenwurde professionalisiert. Dazu gehörendie Administration, IT, Finanzenund Versicherungen, Strukturen unddie gesamte Kommunikation. Zudemstand in den ersten Jahren der Dialogmit den Kirchgemeinden im Vordergrund.Da es eine Distanz der Kirchgemeindenzur Landeskirche gibt, bedeutetedies für uns, dass wir nochaktiver kommunizieren mussten. Zudemhaben wir mit den Kirchgemeindendie Reglemente überarbeitet , Impulstageorganisiert, einen Jugendtagdurchgeführt, eine Strategiekommissiongegründet, das Thema faire Entschädigungenund Entlöhnungen begonnen.Wir werden nächstes Jahrzwei zusätzliche Gesprächssynodeneinplanen, um relevante Strategiepunkteherauszuschälen, die wir imAnschluss von 2022 bis 2025 umsetzenkönnen.

Was war Ihr Highlight?
Die Organisation und Durchführungdes Kirchentags 2015 mit fast900 teilnehmenden Personen, die ausden verschiedensten Kantonen kamen.Es war der erste Kirchentag inunserem Kanton, den wir in dieserForm und Grösse durchgeführt haben,und es war ein schöner Erfolg.

Wie haben sich die Mitgliederzahlen entwickelt?
Die Kantonalkirche Schwyz istbezüglich des Mitgliederstands stabil.In den letzten sieben Jahren sind dieMitglieder von 18’500 auf 18’000 gesunken.Jeder Kirchenaustritt tut natürlichweh. Gleichzeitig muss manakzeptieren, dass es keine Migrationvon Reformierten in die Zentralschweizgibt. Es ist ein natürlicherProzess, dass die Reformierten wenigerwerden. Diese Entwicklung alarmiertmich jedoch nicht.

Gibt es Ideen, mit der Landeskirche Luzern enger zusammenzuarbeiten?

Wir arbeiten in einem Gremium von sieben Kantonen eng zusammen – wir nennen es das «Treffen ZS/TI». Dazu gehören die Kantone Luzern, Zug, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Uri und Tessin. Dort besprechen wir unter anderem unseren Auftritt gegenüber der EKS, kirchenpolitische Fragen oder planen die Unterstützung von Projekten.

Welche Empfehlung geben Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Wir haben die vergangenen acht Jahre für Veränderungen genutzt, waren aber manchmal vielleicht etwas zu milde. Man darf die Kirchgemeinden herausfordern, Risiken einzugehen, und den Mut zu haben für Reformen – also «reformiert zu bleiben». Zudem wird es wohl in den nächsten Jahren erneut Fragen geben rund um das Thema Kirchgemeinde-Fusionen.

Fusionen sind ein heikles Thema ...
… dennoch muss darüber nachgedachtwerden. Der finanzielle Spielraumfür die reformierte Kirche wirdin den nächsten Jahren enger. Auchunabhängig von Corona. Das Steuersubstratwird zurückgehen, wir habeneinige ältere und erfahrene Pfarrpersonen.Bei Stellenausschreibungen istes schwierig geworden, diese mit neuen Pfarrerinnen und Pfarrern zu besetzen.

Was ist die grösste Herausforderung für die reformierte Kirche?
Wir müssen bereit sein, uns immerwieder zu reformieren und nichtfestzufahren. Nur wenn wir mit offenenAugen und Ohren und im Vertrauenauf Gott agieren, bleiben wirglaubwürdig und relevant in der Gesellschaft.

Soll sich die Kirche in die Politik einmischen?
Vom Grundsatz her sollte sich dieKirche nicht in die Politik einmischen,aber wir dürfen unsere Meinungenäussern. Geht es um Themen,die die Menschen in der Gesellschaftbetreffen, soll die Kirche sich aucheinbringen dürfen. Um mitreden zukönnen, ist es jedoch nötig, Fachwissenzu besitzen.

Was nehmen Sie ganz persönlich aus den vergangenen Jahren mit?
Dieses Amt hat meinen Glaubengestärkt. Ich durfte viele Persönlichkeitenaus dem kirchlichen Umfeldkennenlernen und mit ihnen zusammenarbeiten,das ist ein grosses Privileg.Zudem hätte ich mir nie vorstellenkönnen, dass ich in den siebenJahren so viel lernen könnte, ohne indie Schule gehen zu müssen.

Was werden Sie künftig tun?
Ich möchte die letzten Berufsjahrenicht mehr hundert Prozent, sondernachtzig Prozent tätig sein. Ich willmich für grössere Meisterschaften imTennis qualifizieren und möchte derKirchenarbeit in irgendeiner Funktioneng verbunden bleiben.

Noch eine ganz persönliche Frage. Haben Sie je an Gott gezweifelt?
In meinem Glauben zweifle ichimmer wieder. Zweifel und Glaubegehörenfür mich zusammen. DennGlaube ist ja nicht Wissen.

Interview: Carmen Schirm-Gasser

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