Oral-History: «Noahs neue Arche»

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28.12.2020
Was ist wert, dass Noah es auf seine neue Arche mitnehmen würde? Im Theaterstück des Schauspielers Dan Wiener antworten zwölf literarische Figuren per Videostatement.

Eine Bühne, eine Leinwand, drei Musizierende sowie 15 Zuschauerinnen und Zuschauer. So spartanisch präsentierte sich der Kulturraum im Ackermannshof für Dan Wieners Stück «Noahs neue Arche».

«Heute machen wir viel, um die Welt zu zerstören», sagte Wiener zu Beginn der Aufführung. Wenn es so weitergehe mit der Menschheit, sei es vielleicht gut, wenn wieder eine Arche bereitstehe. Allerdings wisse er nicht, welche Art von Sintflut uns erwartet – Wasser, Trockenheit, eine Seuche, eine Atomkatastrophe, ein Krieg.

Viele Fragen, ehrliche Antworten
Für sein Theaterstück interviewte Dan Wiener anonym Jüdinnen und Juden in Basel und stellte ihnen diverse Fragen: (Wie) erlebst Du Antisemitismus? Was bedeutet für Dich Heimat? Was ist Dir im Leben besonders wichtig? Was in Deinem Leben entscheidest Du nach Deinem freien Willen? Was tust Du nur, weil Du denkst, dass Du es tun musst? Und was tust Du, ohne dass Du es merkst, aufgrund von Mustern?

Die Befragten waren zwischen 18 und 80 Jahre alt, religiös oder nicht religiös. Ihre grundehrlichen und teilweise beschämenden Antworten verdichtete Wiener zu zwölf Figuren und nahm die Texte mit Schauspielerinnen und Schauspielern auf Video auf. So erhielt Noah in der ehemaligen Druckereihalle die Antworten auf seine Fragen per perfekte Videoinszenierung.

Um in dieser Intensität als Zuschauer etwas Luft zur Reflexion zu erhalten, erklangen musikalische Intermezzi – speziell arrangierte moderne Variationen traditioneller jüdischer Musik – mit Gitarre, Schlagzeug, Xylofon und Klarinette.

Denkschemata hinterfragen
Wieso hat Dan Wiener für sein Stückausgerechnet Jüdinnen und Juden befragt?Weil es für sie, als Teil einer oftvertriebenen Minderheit, einfachwäre, sich anzupassen, lautet eine derAntworten. Weil die jüdische Religionmehr als bei anderen auch als ethnischeZugehörigkeit angesehen werde.Als Kind einer jüdischen Mutter sei man automatisch auch jüdisch. Und weil die Ausgestaltung des religiösen Lebens stark an Wissen, Regeln und Rituale gebunden sei. Ausserdem würdenin vielen jüdischen BiografienAufbrüche und Veränderungen, meistunfreiwillige und schmerzliche, eineRolle spielen.

So hat Wiener, der inBern geboren wurde und aus einer jüdischenFamilie stammt, selbst «Vorfahrenaus sieben verschiedenen Ländern». In seinem Stück versteht DanWiener die Jüdinnen und Juden alsBeispiel einer bestimmten gesellschaftlichenGruppe – es könntenebenso andere an ihre Stelle treten.

Über Werte nachdenken
Wiener möchte mit «Noahs neue Arche» die Menschen dazu anregen, über ihre Werte nachzudenken und zu reflektieren, inwieweit sie diese bewusst pflegen und wie sie diese beeinflussen können. Ein weiteres Ziel des Theaterstücks sei es, den Dialog mit dem nichtjüdischen Basel und den innerjüdischen Austausch zu fördern sowie Vorurteile und Denkschemata zu hinterfragen und abzubauen.

Toni Schürmann

Das Theaterstück «Noahs neue Arche» ist online abrufbar unter: www.wiener.ch/noah

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