Lilian Bachmann: «Ich höre zu und baue Brücken»

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25.11.2020
Die neu gewählte Synodalratspräsidentin Lilian Bachmann erklärt, wo sie Akzente setzen möchte, was sich durch Corona verändert hat, und ihren persönlichen Bezug zur Kirche.

Lilian Bachmann, Sie hatten im Mai mitgeteilt, nicht für das Präsidium zur Verfügung zu stehen. Weshalb jetzt doch?
Von Anfang an hat der Synodalrat kommuniziert, dass er einspringt, bis eine geeignete Nachfolge zur Verfügung steht. Auf eine Kandidatur habe ich verzichtet, was ich frühzeitig kommuniziert habe. Das Wahlergebnis an der Synode ohne Kandidatur war für mich deshalb sehr überraschend. Der demokratische Wille ist für mich ein Vertrauensvotum und eine Wertschätzung gegenüber auch meiner Arbeit. Gerade in der jetzigen ungewissen Zeit geht es um die Gewährleistung von Kontinuität, Ruhe und Beständigkeit.

Was für eine Präsidentin wollen Sie sein?
Ich höre zu, baue Brücken im gemeinsamen Dialog und fördere das Verständnis füreinander. Ich bin eine zukunftsorientierte Präsidentin im Bewusstsein der reformierten Traditionen. Zukunftsorientiert heisst, dass das, was wir tun, und damit ist die Arbeit in den Kirchgemeinden gemeint, wahrgenommen werden soll, von der Gesellschaft, der Politik und den Medien. Die Landeskirche ist da, um Rahmenbedingungen zu schaffen und Koordinations- sowie Vernetzungsarbeit zu leisten.

Wo möchten Sie Akzente setzen?
Die Landeskirche unterstützt die Kirchgemeinden in der Umsetzung ihrer Aufgaben. Dies stets unter Achtung der Subsidiarität und Autonomie der Kirchgemeinden. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie ein solches Zusammenwirken funktioniert. Die Landeskirche analysiert die Lage, ist im Gespräch mit den Kirchgemeinden, dem Kanton Luzern und auch den Schwesterkirchen und gibt Empfehlungen für das gemeinsame kirchliche Leben und arbeitsrechtliche Themen ab. Auch extern sind wir auf sehr gut funktionierende Partnerschaften angewiesen, welche wir laufend auf unterschiedlichen Ebenen pflegen. Ein Beispiel hier ist die Ökumene mit unseren Schwesterkirchen: Dieses Jahr haben wir für das 50-Jahr-Jubiläum viel geplant und es kam anders aufgrund von Corona. Was mich besonders freut ist, dass es uns gelungen ist, nicht nur abzusagen, sondern auch Alternativen zu schaffen mit ergänzenden Angeboten wie den Fernsehgottesdiensten im Regionalfernsehen. Auch solidarisch sind wir gemeinsam eingestanden, beispielsweise für den Schutz der Schwächsten im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos. Dies mit offenen Briefen und finanzieller Unterstützung.

Welche Werte sind Ihnen wichtig?
Unsere Kirchenverfassung enthält die Werte, für die ich mich als Präsidentin und auch persönlich einsetze: Solidarität, Frieden, Menschenrechte, Chancengleichheit, Schutz der Schwächsten und die Bewahrung der Schöpfung. Ein wichtiges Anliegen, das mir sehr am Herzen liegt, ist die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen. In der Kirche bezieht sich dies auf verschiedenste Bereiche wie die Lohngleichstellung von Frauen, die Vertretung von Frauen in kirchlichen Gremien und natürlich auch in den unterschiedlichen Berufssparten. Dabei ist mir der Einbezug aller auf dem partizipativen Weg besonders wichtig.

In welche Richtung sollte sich die Kirche verändern, damit sie für Menschen wieder attraktiver wird?
Dieser Frage gehen wir mit der Kampagne «Kirche im Dialog – teilnehmen und mitgestalten» aktuell nach. Am Samstag, 27. Februar 2021, findet die Grossgruppenkonferenz statt, an welcher wir Themen aufgreifen wie: Welche Funktion und Rolle soll die Kirche in der Gesellschaft wahrnehmen? Was braucht es und was ist gewünscht, damit sich wieder mehr Mitglieder kirchlich engagieren? Wie wollen wir Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Todesfall heute und in Zukunft gestalten? Welche Bildungs-, Unterrichts- und Jugendangebote soll die Kirche anbieten oder wie ist das Kirchgemeindeleben organisiert? Wie sich die Kirche verändern soll, wollen wir auf partizipativem Weg angehen. Wir erfahren so, was sich Reformierte, Bevölkerung, Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport oder Partner-Organisationen von der reformierten Kirche wünschen.

EKS Präsidentin Rita Famos fordert, die Kirche müsse sich künftig besser verkaufen. Wie stehen Sie dazu?
Corona hat uns gezeigt, dass Kirche in Zeiten der Krise gefragt ist. Die Kernaufgabe der Kirche kam klar zum Vorschein, das war Seelsorge und Solidarität, die insbesondere während der akuten Phase des Lockdowns sehr stark gelebt wurde. Von der Begrifflichkeit ist «verkaufen» etwas einseitig marktwirtschaftlich angehaftet. Ich würde lieber von «beteiligen» oder von «Anteil nehmen» sprechen, indem wir da sind, wo uns die Menschen brauchen. Die Kirche und die Kirchgemeinden mit ihren Mitarbeitenden, Behörden und Freiwilligen leisten einen enormen Einsatz an kirchlichen Angeboten und Dienstleistungen. Diese Wirkung lässt sich gesellschaftlich schwer messen. Auffallen oder fehlen würde es dann, wenn sie nicht mehr da wären.

Welche Beziehung haben Sie ganz persönlich zu Kirche?
Ich bin reformiert aufgewachsen und besuchte als Kind sehr gerne die Sonntagsschule. Weiter habe ich mich an unterschiedlichen reformierten Projekten engagiert und wurde deshalb auch für eine Kandidatur in den Synodalrat angefragt. Meine drei Kinder, 16- und 13-jährig (Zwillinge), wachsen reformiert auf.

Interview: Carmen Schirm-Gasser

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