Nachruf: Silvia Pfeiffer kämpfte für die Schwachen

min
29.10.2020
Silvia Pfeiffer war eine leuchtende Sozialistin, Christin, Kirchenfrau und Politikerin, die sich für ihre Mitmenschen eingesetzt hat.

Uns alle, die wir Silvia Pfeiffer nahestanden, verbunden waren und es weiterhin sind, hat die Nachricht ihres Ablebens nicht überrascht, zumal ihr Gesundheitszustand sich zusehends verschlechterte, worunter sie sehr zu leiden hatte. Am 25. September ist Silvia Pfeiffer davon erlöst worden. Sie durfte endlich, um es mit Matthias Claudius zu sagen, ihren schäbigen Rock eintauschen gegen den neuen, unvergänglichen in der Geborgenheit Gottes. Das gönnen wir ihr herzlich – nach ihrem bis zuletzt unermüdlich engagierten, aufopfernden Leben, wahrhaftig gelebter Nächstenliebe!

Mit ihrer einmalig ausgeprägten Sozialkompetenz setzte sich Silvia Pfeiffer trotz allem politischen Gegenwind unbeirrt stets für die gesellschaftlich Schwachen und Randständigen ein! Ein namhafter Politiker äusserte sich bei Gelegenheit einmal so über sie. «Man muss bei ihr aufpassen. Sie hat Samtpfötchen mit Chrälleli dra.»

Fest steht, ohne wesentliche Unterstützung von Silvia Pfeiffer gäbe es wohl weder den Verein für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe (VJPS) noch die Gründung eines Frauenhauses in Schaffhausen! Persönlich engagierte sich Silvia auch noch im schriftlichen Behördenkontakt für die Rechte von Migranten und erwähnte mitunter schmunzelnd, dabei ausnahmsweise ihren Doktortitel zu verwenden.

Im Dienst der Kirche
Als Kirchenstandsmitglied, Kirchenrätin und Kirchenratspräsidentin unserer Evangelisch-reformierten Kirche Schaffhausen und Mitglied des Rates des Schweizerischen Kirchenbundes hat Silvia Pfeiffer Grosses geleistet und bewirkt mit ihrem profunden, breit abgestützten Wissen, verbunden mit der ihr eigenen Sachlichkeit, Überzeugungskraft und Herzlichkeit. Sie kämpfte unermüdlich für Demokratie wie für Respektierung der Minoritäten gleichermassen.

So hat sie als Vizepräsidentin des Evangelischen Kirchenbundes (SEK) bei der Totalrevision der Verfassung wesentlich dazu beigetragen, die Kantonalkirchen samt der Evangelisch-methodistischen Kirche zu einer Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) umzuformen und zu verhindern, dass dessen Vorsitz zum Bischofsamt (!) erhoben wurde!

Als Kirchenratspräsidentin setzte sie sich kräftig für das Thema Gleichgeschlechtlichkeit und für die Segnungshandlungen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften ein.

Kämpferin für Soziales
Silvia hat sich nach sechs zusätzlichen Semestern Theologiestudium in ihrer Dissertation (Politik und Gottesreich ...) mit Leonhard Ragaz (1868–1945) befasst, evangelischer Theologe, Pfarrer und Professor für Systematische und Praktische Theologie an der Universität Zürich. Ragaz war Mitbegründer der religiös-sozialen Bewegung in der Schweiz. Als Mitglied der SP bekannte er sich zu einem Sozialismus, der in der Botschaft des gegenwärtigen und kommenden Gottesreiches, «in der Kindschaft und Bruderschaft der gegenseitigen Verantwortlichkeit, namentlich der Stärkeren für die Schwächeren begründet ist». Kurzum im Wortwörtlich-Nehmen und Beherzigen des grössten Gebots Jesu: Den Nächsten lieben wie sich selbst! Und das ohne Wenn und Aber! – In diesem Sinn und Geist war Silvia eine leuchtende Sozialistin, Christin, Kirchenfrau und Freundin!

Politische Karriere
Ihr vielfältiges soziales und politisches Engagement in Schaffhausen begann als Sekretärin des Stadtschulrates und mit ihrer Wahl zur Präsidentin des Schaffhauser Konsumentinnenforums. Bald darauf schaffte sie die Wahl in den grossen Stadtrat und drei Jahre später in den Grossen Rat (Kantonsrat).

Persönlich durfte ich Silvia als Mitglied des Stadtschulrates, dessen Präsidentin sie war, «hautnah» kennen und schätzen lernen. Die politische Couleur der Ratsmitglieder spielte damals keine Rolle. Es ging stets um die gemeinsame, bestmögliche Lösung der anstehenden Probleme, wobei die Präsidentin in Abwägung des Sachverhaltes konsequent gemäss des grössten Gebots Jesu tendierte. Da ging es schlicht und einzig allein um den verantwortlichen Dienst! Ich denke überaus dankbar an diese Zeit zurück.

Der Liebe verpflichtet
Wenn wir schliesslich bedenken, wo überall und wie (je ganz der Sache gewidmet!) Silvia Pfeiffer sich eingebracht hat, können wir nur ahnen, wie viel Knochenarbeit damit für sie verbunden war.

Mit Silvias Antwort auf die Frage zu Brutalität und Elend in dieser Welt lasse ich sie abschliessend selbst zu Wort kommen: «Wir tragen die Antwort in uns selbst. Wir haben uns zu entscheiden für die Achtung der Menschenwürde, für die Mitmenschlichkeit, für die Gerechtigkeit, für den Frieden gegen den Krieg, für die Gewaltlosigkeit gegen die Gewalt, für die Liebe gegen den Hass. Das Liebesgebot, das im Zentrum des Evangeliums steht, verpflichtet uns dazu.»

Paulus Bachmann, ehemaliger Pfarrer St. Johann Schaffhausen

Unsere Empfehlungen

U33 und die Gretchenfrage zur Religion

U33 und die Gretchenfrage zur Religion

Pünktlich zu Ostern hat die Schweizer Illustrierte SI in Zusammenarbeit mit den Landeskirchen eine Sonderbeilage zum Thema Kirche und Jugend herausgegeben. Die SI stellt dabei die Gretchenfrage, was junge Menschen unter 33 Jahren heute mit dem christlichen Glauben und der Kirche verbindet.
Auf den Spuren des Nazareners

Auf den Spuren des Nazareners

An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung Jesu Christi. Die Evangelien berichten, dass Jesus aus Nazaret während dreier Jahre predigte und Wunder tat. Sein Auftritt veränderte die Geschichte der Menschheit und fasziniert bis heute. Aber wer war dieser Nazarener wirklich?
Die Offenbarung ist kein Fahrplan für den Weltuntergang

Die Offenbarung ist kein Fahrplan für den Weltuntergang

Apokalyptische Reiter verbreiten Angst und Schrecken, Tod und Teufel werden in einen Feuersee geworfen – wer das letzte Buch der Bibel liest, dem kann angst und bange werden. Coronavirus, Ukrainekrieg, Klimaerwärmung – die Offenbarung des Johannes wird auf alles Mögliche angewendet.
Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen

170 Jahre nach der Gründung des Diakonissenhauses Riehen beleuchtet eine Ausstellung mit Fotos und Texten die Geschichte der Kommunität. Sr. Delia Klingler lebt seit 2017 als Schwester hier. Der Kirchenbote hat mit ihr die Ausstellung besucht.