Das gab es noch nie

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29.10.2020
Präsidium Synodalrat: Für die Nachfolge der verstorbenen Ursula Stämmer stellen sich an der kommenden Synode zwei Kandidaten zur Wahl.

Die Synode vom 18. November verspricht spannend zu werden. Dann wählen 60 Synodemitglieder die Nachfolge der im März verstorbenen Ursula Stämmer, 61. Zwei Kandidaten stehen diesmal auf der Liste. Das gab es noch nie in der Geschichte der Reformierten Landeskirche Luzern. «Mit einer Zweierkandidatur betreten wir Neuland», sagt Ruth Burgherr, Synodepräsidentin. Es habe sich herausgestellt, dass es für viele Synodale ein Anliegen gewesen sei, nicht nur einen Kandidaten durchzuwinken, sondern eine Auswahl an Kandidaten zu haben. «Wir freuen uns, zwei Kandidaten mit den nötigten Fähigkeiten für dieses anspruchsvolle Amt gefunden zu haben, die auch willens sind, sich einer Zweierkandidatur zu stellen.»

Breites Bewerbungsverfahren
Auch das Auswahlverfahren wurde verändert. Erstmals wurde ein breit kommuniziertes Bewerbungsverfahren mit transparentem Anforderungsprofil durchgeführt. Bewusst wurde eine Person gesucht, die sich für Glaubensfragen interessiert und der die ganzheitliche Entwicklung der Kirche mit all ihren Aspekten am Herzen liegt. So war explizit erwünscht, dass Kandidaten in der Kirche verankert sein sollen. «Nachdem die Arbeiten an den gesetzlichen Grundlagen und deren Umsetzung in der Organisation nun mehrheitlich erledigt sind, ist der Wunsch da, in Zukunft wieder mehr auch auf Inhalte zu fokussieren», sagt Ruth Burgherr. Im Mai war die Stelle ausgeschrieben worden, worauf sich vier Kandidaten und eine Kandidatin beworben hatten, die gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen B’VM aus Bern in zwei Hearings unter die Lupe genommen wurden.

Ein Diakonie-Manager
Alexander von der Marwitz, 66, wohnhaft in Luzern, kommt aus der bayerischen Diakonie. Dreissig Jahre führte er das Diakonische Werk Memmingen, ein kirchliches Werk für 22 evangelische Gemeinden, darunter auch die beiden ältesten reformierten Gemeinden in Deutschland. Der gebürtige Deutsche hat Sozialarbeit und Gerontologie studiert, ist gelernter Kaufmann und Mediator. 2015 zog er, aufgrund der Heirat mit Armida Raffeiner, Stabschefin Sozialdirektion Stadt Luzern, in die Schweiz. Heute ist er Mitglied im Grossen Kirchenrat der Kirchgemeinde Luzern. Als Projektleiter in dieser grossen Gemeinde realisierte er unter anderem den Dokumentarfilm «Semper Reformanda». Seine Motivation, sich für das Amt zu bewerben, fasst er so zusammen: «Mein gesamtes Leben lang habe ich Kirche als etwas sehr Positives, Gestaltbares erlebt. Mein Vater war Pfarrer und meine fünf Geschwister und ich wurden wie selbstverständlich überall in den Gemeinden eingesetzt. Ich habe die Glocken geläutet, bei Altenbesuchen Flöte gespielt und engagierte mich in der Jugendarbeit. Ich habe da und auch später sehr viel mitbekommen. Nun möchte ich etwas zurückgeben.»

Wie er das umsetzen will? «Alle zehn Gemeinden unserer Landeskirche spüren den Wandel in unserer Gesellschaft. Mit vereinten Kräften wird unsere Kirche diesen Strukturwandel gut überstehen. Dazu gehört auch die Ökumene, die vielerorts intensiv gelebt wird. Ich möchte dazu beitragen, dass wir zuversichtlicher nach vorne schauen und erkennen, dass wir an vielen Stellen auf bestem Wege sind. Und wo nötig, will ich auch mit Hand anlegen, wenn wir das Gewohnte und Vertraute prüfen und erkennen, was im Wege steht.» Auf die Gretchenfrage, nun sag, wie hast du`s mit der Religion, antwortet er: «Jesus Christus hatte immer eine Bedeutung in meinem Leben. Manchmal ganz nah, manchmal weiter weg, doch immer da.»

Ein Pfarrer
Thomas Widmer, 61, wohnhaft in Weggis, ist Pfarrer. Sein beruflicher Werdegang führte ihn nach seinem Theologiestudium in Basel zuerst ins bäuerlich geprägte, rätoromanische Waltensburg (GR), dann hinunter nach Küsnacht (ZH) und wieder zurück ins Oberengadin nach St Moritz (GR), wo er 15 Jahre lang tätig war. In Graubünden war er zudem Mitglied des Evangelischen Grossen Rats und Mitglied der Geschäftsleitung. 2014 kam der gebürtige Basler nach Weggis, wo er seither als Pfarrer in einem 80-Prozent-Pensum tätig ist, plus diversen Stellvertretungen, die er übernimmt zur Aufstockung seines Pensums. Als innovativer Pfarrer der Teilkirchgemeinde Rigi Südseite (LU) half er mit beim Aufbau der regionalen Sozialkonferenz zwischen den Sozialvorstehenden der Seegemeinden und dem katholischen und reformierten Pfarramt. Zudem ist er seit 2017 Co-Präsident vom Pfarrkapitel Luzern. Sein Familienclan, wie er diesen nennt, umfasst seine Frau, vier Kinder und fünf Enkelkinder.

Seine Motivation, sich für das Amt zu bewerben: «Ich möchte die reformierte Kirche zukunftsfähig halten und weiter fit machen. Man sollte nicht über den Verlust von bisher kirchlich Möglichem lamentieren, sondern den Blick nach vorne wenden und neue, zukunftsfähige Ansätze wagen, damit Menschen auch weiterhin an kirchlichen Aktivitäten partizipieren.» Wie er das umsetzen will? «Das Potenzial der verschiedenen Kirchgemeinden im Zusammenspiel sollte gestärkt werden. Zudem würde ich gerne die hin und wieder vorhandenen Vorbehalte zwischen Pfarrpersonen, Sozialdiakonen und Behördenvertretern abbauen und in ein intensives Miteinander umsetzen. Die Kirche lebt vom Austausch von Menschen mit unterschiedlichstem Erfahrungshintergrund.» Auf die Gretchenfrage antwortet er: «Ich bin ein liberaler Theologe, verwurzelt in einem vertrauensvollen Gottesglauben.»

Carmen Schirm-Gasser

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