«China ist süss-sauer»

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17.09.2020
Ein Kradolfer in China: Pascal Nufer erlebte als Journalist in Asien, wie gegensätzlich die Welten und Wertesysteme sind. Nach langjährigem Einsatz im Reich der Mitte, wurde es ihm wichtig, sich mit den Menschen in China zu versöhnen.

Mehr als ein Jahrzehnt verbrachte Pascal Nufer in Ostasien. Zuerst in Thailand, wo seine Frau eine Stelle als Lehrerin an der Schweizer Schule antrat, dann – nach einer Anstellung bei der Schweizer Tagesschau – in China. Dank diesem beruflichen Werdegang konnte Nufer sein «Journalismus-Unternehmer-Gen», wie er dies bezeichnet, voll zur Entfaltung bringen.

Nufer musste sich zuerst als freier Journalist positionieren. 2004 stürzte er sich angesichts der grossen Tsunami-Katastrophe mutig und zugleich erfolgreich in den News-Journalismus. Damals wie auch in den Jahren danach wurde ihm je länger desto mehr bewusst, «dass die Nachrichten den Menschen und Kulturen in ihrer Verschiedenartigkeit gar nicht gerecht werden können». Diese mitfühlende Art war denn ein Kennzeichen von Nufers Berichterstattung – zuerst für Zeitungen und schliesslich als China-Korrespondent für das Schweizer Fernsehen.

Mythen, Macht und Menschen
Über seine Einsätze könnte Nufer nicht nur Bücher füllen – er tat es auch. Sein jüngstes Buch trägt einen Titel, der die Person Nufer und seine China-Erlebnisse in aller Kürze auf den Punkt bringt: «Faszination China – Mythen, Macht und Menschen». Anlass für dieses Buch war, dass der Korrespondent realisierte, wie sehr den Menschen in China nicht zuletzt wegen ihrer religiösen Ausrichtung Unrecht geschieht. Das beelendete Nufer auf die Dauer. Zurück in der Schweiz, «wollte ich mich mit diesem Land versöhnen. Ich wollte nicht mit Frust gehen.» Nufer wurde schnell klar, dass er sich nicht mit dem Staatssystem der kommunistischen Partei, sondern vor allem mit den Menschen versöhnen wollte.

Christentum wächst
Es ist dem gebürtigen Thurgauer wichtig geworden, dass dem chinesischen Machtapparat bewusst westlich-demokratische Werte entgegengehalten werden. Es sei wohl kein Zufall, dass das Christentum die am schnellsten wachsende Religion sei, die Regierung nehme sie deshalb als Bedrohung wahr. Tobias Brandner, Theologiedozent in Hongkong und Mitarbeiter von Mission 21, habe ihm eine Erklärung gegeben, warum gerade der Protestantismus in China boomt: Viele Chinesen hätten realisiert, wie stark Reformierte im europäischen Kontext zum wachsenden Wohlstand beigetragen hätten.

Christen prägen «Anti-Peking»
Weil die Kommunistische Partei die Zügel in der Hand behalten wolle, entstünden viele der Regierung nicht genehme und deshalb nicht offiziell registrierte Hauskirchen. Gerade am Widerstand, der sich in Hongkong derzeit zeige, werde deutlich, dass die Christengemeinde eine Rolle spiele, sagt Nufer. Sie habe kein unwesentliches Gewicht, wenn die «Anti-Peking-Bewegung» mobilisiert werde. Nufer hat das Gesicht der sogenannten «Regenschirm-Bewegung», die sich in Hongkong für mehr Demokratie einsetzt, mehrmals persönlich getroffen: Joshua Wong. Der Demokratie-Aktivist ist laut dem Nachrichtenmagazin Idea bekennender Christ. Er sei der festen Überzeugung, dass Gott ihn aus einem bestimmten Grund auf diese Welt geschickt hatte. In seinem Buch «Unfree Speech» schreibt Wong: «Ich sollte mehr tun, als nur seinen Namen zu loben und die Bibel zu lesen. Gott wollte, dass ich aktiv werde.»

Massaker möglich
Im Bezug auf Honkong macht sich Nufer keine Illusionen mehr. Die Devise «ein Land, zwei Systeme» stehe im westlich geprägten Hongkong nur noch auf dem Papier. «Die Rechtssicherheit ist nicht mehr gewährleistet. Die Wut ist gross, und die Gefahr steigt, dass Peking mit äusserster Härte durchgreift.» Sogar ein Massaker sei nicht mehr auszuschliessen. Damit verdeutlicht Nufer, wie schwierig für ihn die Versöhnung mit dem chinesischen System ist. Die Versöhnung mit den Menschen – auch mit seiner ihm damals staatlich zugeteilten «Aufpasserin» – ist Nufer gelungen. Sein Fazit lautet deshalb: «China ist süss-sauer.»

Roman Salzmann, kirchenbote-online

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