Vom Klosterbruder zum Pfarrer

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11.09.2020
Am 6. September wurde Kilian Karrer in der Ökumenischen Kirche Flüh ordiniert. Hinter ihm liegt eine aufregende Zeit: neue Liebe, Austritt aus dem Kloster, Heirat und Übertritt zu den Reformierten. Bereut hat Karrer diesen Schritt nicht.

Kilian Karrer sitzt entspannt in der Pizzeria. In den letzten zwei Jahren sei es ruhiger geworden, erklärt der 53-Jährige. 2018 sah dies anders aus: Pater Kilian war aus dem Kloster Mariastein ausgetreten. Aus Liebe zu Natascha Imark, der Sakristanin der Katholischen Kirche Witterswil SO. «Bis dahin führten wir eine platonische Liebe», beteuert Karrer. Trotzdem: Der Bruch mit dem Zölibat machte Schlagzeilen. «Unmoralisches Angebot der Kirche: Priester soll Freundin als Hausangestellte tarnen», titelte «Schweiz am Wochenende» zum Umgang der Kirchenleitung mit der Causa.

Befreiende Klärung
Als Kilian Karrer seine Zukünftige kennenlernte, war ihm klar, dass er seine Liebe gefunden hatte. «Diese Liebe forderte mit aller Macht meine Entscheidung zum Loslassen und zum Neuanfang», erzählt er. «Und sie führte zu einer befreienden Klärung.» Wie ist es für den eingefleischten Single frisch verheiratet zu sein? Karrer: Es ist eine andere Herausforderung als das Zusammenleben im Orden. «Es ist schöner und erfüllender.»

Karrer hat das Gefühl, mit dieser Beziehung zu seiner Frau etwas Ganzes zu leben. Das fehlte ihm vorher. Im Zölibat zu leben bedeute, verzichten für einen guten Zweck. «Mit der Zeit merkte ich, dass das nicht funktioniert», sagt er heute.

Vor dem Nichts gestanden
Nachdem Karrer das Kloster nach dreissig Jahren verlassen hatte, standen er und seine Frau vor dem Nichts. Er hatte sein Umfeld, die Gemeinschaft des Klosters, verloren und konnte sein Amt als Priester nicht mehr ausüben, seiner Frau hatte man als Sakristanin gekündigt.

Der Austritt aus dem Kloster und der Bruch mit den Brüdern hinterlässt bis heute Wunden, hüben wie drüben. Karrer war gerne Seelsorger. «Ich wollte diese Aufgabe weiterführen und den Menschen helfen», erzählt er. Deshalb trat er und seine zu den Reformierten über. Und Karrer bewarb sich für die Ausbildung zum Pfarrer.

An der Theologischen Fakultät Basel holte er sich das Rüstzeug in reformierter Ekklesiologie. Sein Vikariat absolvierte er in Muttenz, für Karrer war dies eine gute Zeit. «Ich erlebte viel Unterstützung.» Am 6. September wurde er in der ökumenischen Kirche Leimental ordiniert. Damit ist der Weg frei, dass der Klosterbruder Kilian zum reformierten Pfarrer Kilian Karrer wird.

In der reformierten Theologie wiedergefunden
Kilian Karrer mag gar nicht so viel über die katholische Kirche und seine Vergangenheit reden. Lieber blickt er in die Zukunft, und die ist reformiert. Er habe sich gut wiedergefunden in der reformierten Theologie, erklärt er. Das Entscheidende sei da, wie Gott in uns und in der Gemeinschaft wirke. Und das sei unabhängig von der Materie, sagt der Vikar in Bezug auf die Wandlung in der katholischen Eucharistie. «Gott wirkt so frei wie der Heilige Geist.»

In der katholischen Kirche stehe der Priester auf einer anderen Stufe, erklärt Karrer. «Priester erscheinen als aussergewöhnliche Persönlichkeiten ohne menschliche Gefühle.» Als reformierter Pfarrer sei er ein gewöhnlicher Mensch, der dazu berufen sei, das Wort Gottes zu predigen.

Kilian Karrer gefällt diese Gleichheit von allen, «die getauft wurden und die Gott geschaffen hat». Da will er als Pfarrer ansetzen, er möchte die Menschen animieren, die Talente zu leben, die Gott ihnen geschenkt hat. «Ich will den Leuten helfen, das Feuer des Geistes in sich selber zu spüren und dann in die Gemeinschaft einzubringen, nicht nur in die Kirche.»

Der Reichtum der nüchternen Liturgie
Schmeckt dem ehemaligen Mönch, der einst gregorianische Gesänge anstimmte, die nüchterne reformierte Liturgie nicht wie trockener Zwieback? «Nein, im Gegenteil», meint Kilian Karrer. In der Konzentration auf das Wort und die Bibel entdeckt der ehemalige Priester einen Reichtum. Er freut sich, das Eingangsgebet jetzt selber formulieren zu dürfen, und darauf, andere Menschen in die Feier miteinbeziehen zu können.

Der schlichte Ablauf erlaube es, verstärkt aufs Wort Gottes zu hören und den Blick in der Fürbitte für andere zu öffnen. «Als Priester verschwand ich unter dem Messgewand. Doch die Menschen wollen den Pfarrer und sein Herz spüren», sagt Karrer, der jetzt im Gottesdienst seine Freiheiten nutzen will.

Nach seinem Vikariatsjahr sucht Kilian Karrer eine Pfarrstelle. Er will er aus familiären Gründen in der Gegend bleiben, unter anderem auch um die Beziehung zu seiner doch schon 90jährigen Mutter pflegen zu können.

Und die Frage zum Schluss: Werden die katholische und die reformierte Kirche einst fusionieren? Kilian Karrer überlegt für einen kurzen Moment und meint dann: «Im Himmel sicher.»

Tilmann Zuber

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