Kirchliche Volksabstimmung: Mit neuer Verfassung in die Zukunft

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25.08.2020
Im September stimmen die Mitglieder der reformierten Kirche Baselland über eine neue Verfassung ab. Mit einem Ja ermöglichen sie es den Kirchgemeinden, sich künftig flexibler zu organisieren.

Am 27. September entscheiden die Mitglieder der Reformierten Kirche Baselland, ob sie die totalrevidierte Verfassung annehmen wollen. Es ist die erste kirchliche Volksabstimmung seit zwanzig Jahren. Dabei geht es um nichts weniger als die zukünftige Ausrichtung der Kirche. «Die Verfassung ist die Grundlegung unserer Kirche», sagt Kirchenratspräsident Christoph Herrmann: «Ja sagen zu dieser Verfassung heisst Ja sagen zu dieser Kirche, der wir uns verbunden fühlen.»

Grösstmögliche Beweglichkeit
Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte erfassten auch die Reformierte Kirche Baselland. Für die Ausgestaltung des kirchlichen Lebens brauche es grösstmögliche Beweglichkeit, sagt Christoph Herrmann. Die neue Verfassung ist schlanker als die Vorgängerin aus dem Jahr 1952 und hat den Charakter eines Grundgesetzes.

Damit die Kirche flexibel auf Veränderungen reagieren kann, regeln Folgeerlasse wie Kirchen-, Finanz- sowie Personal- und Besoldungsordnung die Details, über welche die Synode befindet. Vorausgesetzt, dass die Mitglieder die Verfassung am 27. September annehmen.

Die Kirche steht vor einigen Herausforderungen: zunehmende Mobilität, neue Gemeinschaftsformen, ein erwarteter Pfarrmangel und andauernder Mitgliederrückgang. Die neue Verfassung ermöglicht es den Kirchgemeinden, darauf zu reagieren und auf verschiedene Arten zusammenzuarbeiten, bis hin zu Fusionen.

Traditionell bis futuristisch
Die Abstimmungsvorlage spricht von «zeitgemässem Kirche-Sein». Dies beinhaltet für den Kirchenratspräsidenten sowohl die bisherige Organisation in territorial verfassten Kirchgemeinden als auch futuristische Ideen, etwa virtuelle Kirchgemeinden, deren Mitglieder sich ausschliesslich im Internet treffen. Die Synode müsste dann die dafür geltenden Kriterien bestimmen.

«Grundsätzlich soll es möglich sein», so Christoph Herrmann, «in verschiedenen Formen als Kirchgemeinde Teil unserer Kirche zu sein.» Zeitgemäss heisse zudem, dass die Kirchgemeinden Aufgaben, die mit einem kirchlichen Dienst verbunden sind, delegieren können, wenn anderswo freie Ressourcen oder entsprechende Talente verfügbar seien. Die neue Verfassung betone das Zusammenwirken aller am kirchlichen Leben Beteiligten, sagt der Kirchenratspräsident. «Man ist miteinander unterwegs, anders kann man nicht Kirche sein. Alle sind beteiligt, nur so kann man die vielfältigen Aufgaben wahrnehmen.»

Für die gesamte Bevölkerung
Mit der neuen Verfassung bekennt sich die Reformierte Kirche Baselland auch weiterhin zur Volkskirche. Bis in die 70er-Jahre hinein bedeutete dies, dass praktisch die gesamte Bevölkerung einer Landeskirche angehörte. Heute definiert sich die Volkskirche über ihren Auftrag: «Als Kirche sind wir für die gesamte Bevölkerung da, unabhängig von ihrer konfessionellen Bindung. Wir haben einen Auftrag in der Zivilgesellschaft», erklärt Christoph Herrmann. Dazu gehört die Hilfe für Einzelne ebenso wie die Unterstützung von Initiativen, Gruppen und Institutionen. «Die Kirche ist offen dafür, niemanden auszuschliessen, und meldet sich bei gesellschaftlichen und staatlichen Entwicklungen kritisch oder ermutigend zu Wort.»

Was die Mitglieder verbindet
Zu Beginn bezieht sich die Verfassung auf ihr Fundament, das in Jesus Christus gelegt ist. Für den Kirchenratspräsidenten ist es wichtig, «dass man sich als Kirchengemeinschaft mit dieser Abstimmung nach über 20 Jahren wieder einmal daran erinnert, was uns als Mitglieder untereinander verbindet». Christoph Herrmann hofft auf ein Ja zur neuen Verfassung: «Es würde noch einmal dazu motivieren, die folgenden Ordnungen zu überarbeiten, aber auch zum Ausdruck bringen, wie wir Kirche sein wollen, und dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.»

Karin Müller

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