«Ein Auftrag von Gott an mich»

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25.06.2020
Kurt Rohrer tritt kein leichtes Erbe an. Vieles ist in den vergangenen Jahren in der reformierten Kirche im Kanton Uri schiefgelaufen, das es nun zu ändern gilt. Wie, erzählt er im Interview.

Herr Rohrer, Sie sind neuer Kirchenratspräsident des Kantons Uri. Was hat Sie veranlasst, diese Position zu übernehmen?
Ich sehe diese Funktion als einen Auftrag von Gott an mich an. Ich möchte etwas bewegen und dabei Gott und den Menschen dienen.

Welche Herausforderungen werden Sie als Erstes angehen?
Es sind viele Dinge in den vergangenenJahren liegen geblieben. Sowerden wir das Organisationsstatutgrundlegend überarbeiten, ebenso dieKirchenordnung. Die grösste Herausforderungist sicher, das Vertrauen derMenschen in den Kirchenrat wiederherzustellen. Speziell bei den Menschenin Erstfeld und Altdorf sindnoch viele verletzte Empfindungen da.Diese werde ich versuchen mit vielenGesprächen zu verstehen. Natürlichbraucht es auch eine Aufarbeitung derGeschehnisse. Dafür muss man unsaber Zeit geben, sicher eineinhalbJahre. Danach darf man über unsereArbeit urteilen. Zudem müssen wirnoch die Geschichte mit der gekündigtenPfarrerin zu Ende führen. Mirist wichtig, dass mögliches bestehendesLeid nicht durch neues Leid korrigiertwerden darf.

Am Urner Kirchenrat gab es heftige Kritik, intransparente Personalpolitik, Zusammenlegung von drei Kirchgemeinden zu einer, mangelnde Kommunikation. Was hätte aus Ihrer Sicht anders gemacht werden sollen?
Ich werde die Arbeit meiner Vorgängerinnicht werten. Klar ist, dassich offener kommunizieren und michnicht hinter einem Amtsgeheimnisverstecken werde, das nicht zwingendist. Ausserdem würde ich nicht zulassen,dass sich die Leute an Versammlungenrespektlos behandeln. Solltean einer Kirchenratssitzung oder Versammlungdie Stimmung zu stark negativwerden, würde ich mir erlauben,diese möglicherweise auch abzubrechen.

Wie kann das Vertrauen der Gemeinde in den Kirchenrat zurückgewonnen werden?
Durch das Entgegenbringen vonRespekt, durch aufmerksam sein,nachfragen, versuchen zu verstehen.Und indem man Vorbild ist, Vorbildund nochmals Vorbild.

Wie wollen Sie das angespannte Verhältnis zwischen Erstfeld und Altdorf verbessern?
Wir müssen das Verbindende suchenund nicht das Trennende. Ichwerde kein dauerndes Jammern zulassen.Man kann nicht ewig der VergangenheitSchuld geben für das Dilemmader Gegenwart. Als Christensind wir immer wieder gefordert zuvergeben. Und wenn wir fallen, solltenwir nicht liegen bleiben, sondern aufstehen.Zudem kommen jetzt neu dieMitglieder des Kirchenrats aus allenRegionen. Es gibt einen Kirchenrataus Erstfeld, aus Andermatt, aus demSchächental. Die ländlichen Gegendenwie auch das Zentrum, sind ausgewogenvertreten. Das hilft unterschiedlichesDenken in das Gremiumzu bringen.

Werden Sie den Exodus der Mitglieder stoppen können?
Es ist nicht primär meine Aufgabe,den Exodus zu stoppen. Wenn wir unsum die Menschen kümmern, werdensie bleiben oder zurückkommen. UnsereAufgabe ist es, Menschen in ihrenNöten zu begegnen und das Evangeliumzu verkünden. Es hat im neuenKirchenrat Personen, die den Ausgetretenennachgehen wollen. Ich denke,das sind wir ihnen schuldig.

Wie haben Sie persönlich die Corona-Krise erlebt?
Zu Beginn habe ich mich über gewisseMassnahmen geärgert, vor allem,als der Kanton Uri den Ü-65-Jährigenverboten hatte selbst einzukaufen. Man hat meiner Meinungnach zu viele pauschale Entscheidungenfür andere gefällt. Für mich warsehr viel Panikmache in den Medienspürbar. Trotzdem konnte ich vieleEntscheide des Bundesrats verstehen,denn man hatte ja bislang keine Erfahrungenmit solchen Viren. UndEntscheide lassen sich immer erst imNachhinein beurteilen. Die Öffnungdürfte meiner Meinung nach aber zügigervorwärtsgehen. Ich hoffe, dassaus den gemachten Erfahrungen gelerntund bei einer erneuten Pandemiedie Erkenntnisse daraus punktuellerumgesetzt werden.

Welche Folgen wird die Corona-Krise für die reformierte Kirche Uri haben?
Die reformierte Kirche hat die Organistenwährend des Shutdownsweiter bezahlt, obwohl diese nichtspielen konnten. Aktuell sind noch behördlicheVorgaben einzuhalten, wasdazu führt, dass nicht alle Aktivitätendurchgeführt werden. Kurzfristigwerden wir sicher finanzielle Einbussendurch die verringerten Steuereinnahmenin Kauf nehmen müssen.Doch das bereitet mir keine schlaflosenNächte. Die reformierte KircheUri ist finanziell gesund aufgestellt.Langfristig sehe ich kaum Folgen.

Interview: Carmen Schirm-Gasser

 

 

Hohe Wahlbeteiligung im Kanton Uri
Aufgrund des Corona-Virus wurde die Kirchenratswahl im Kanton Uri brieflich durchgeführt. Die Beteiligung erhöhte sich dadurch enorm. Zahlreiche Kirchenversammlungen und Synoden wurden aufgrund des Corona-Virus abgesagt. In Kanton Uri wurde eine andere Variante gewählt, die Briefwahl.

Zum ersten Mal wurde der Kirchenrat und die Geschäftsprüfungskommission per Briefwahl ermittelt, ebenso wie die Genehmigung der Jahresrechnung 2019, die mit einem Ertragsüberschuss von 168 000 Franken ausgefallen ist. Interessant dabei ist die Tatsache, dass die Stimmbeteiligung um ein Vielfaches höher ausgefallen ist, als sonst üblich. In den vergangenen Jahren nahmen rund 60 bis 80 Kirchenmitglieder an einer Versammlung teil. Bei der Briefwahl jedoch flatterten 256 Antworten ins Wahlbüro, bei 1410 Stimmberechtigten.

Als Mitglieder des Kirchenrats gewählt wurden: Margrit König, Brigitte Renner-Schalk, Helen Schuler, Arthur Gierak (bisher), Roland Hächler und Oliver Ryhner (bisher). Kurt Rohrer ist neuer Kirchenratspräsident und damit Nachfolger von Felicitas Schweizer.

 

 

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