Neue Perspektive auf das Leben

min
25.06.2020
Nach zwei Monaten Shutdown hat Lostorf Mitte Juni erstmals wieder einen Gottesdienst gefeiert. Trotz Sicherheitsmassnahmen war die Freude bei den Besuchern gross.

Schon der Eingang erinnert daran, dass das Corona-Virus noch lange nicht besiegt ist. Grossformatige Plakate klären über die Sicherheitsmassnahmen auf, rote Linien auf dem Boden markieren den nötigen Abstand, an der Garderobe wartet das Desinfektionsmittel auf die Hände.

Die zweite Flasche steht in der Kirche, neben der Liste, in die sich die Besucher eintragen. Dann ist es geschafft und man kann auf einem der weit verstreuten Stühle niedersinken.

Trotz diesem Marathon durch die bundesrätlichen Sicherheitsvorschriften sind rund fünfzig Personen in die reformierte Kirche Lostorf gekommen. Das sei ungefähr die Anzahl Kirchgänger, die auch vor dem Shutdown gekommen sind, sagt Pfarrer Michael Schoger.

Freude am Wiedersehen
Spürbar ist ihre Freude über das Wiedersehen, das Feiern in der Kirche und das Stück wiedererlangte Normalität. Aber auch, dass die Sicherheitsmassnahmen die Leute leicht verunsichern. Der grösste Unterschied zum normalen Gottesdienst zeigt sich im Verzicht auf das Singen. Das Gesangbuch bleibt im Regal, stattdessen trägt die Sopranistin Iona Haueter die Lieder vor und sorgt mit der Organistin Marion Ammann für eine feierliche Stimmung. Statt Kirchenkaffee gibt es nach dem Segen einen Zopf mit auf den Weg.

Gastpfarrer Erich Huber unterstreicht mit einer Geschichte des Berner Pfarrers Kurt Marti die Erfahrung, dass die Corona-Zeit bei vielen den Blick auf ihr Leben verändert hat. Marti erzählt in «Neapel sehen» von einem Mann, der sein Leben lang in einer Fabrik arbeitete. Er ist vergrämt, hasst die Arbeit, die Fabrik, die Kollegen und seine Frau. Schliesslich lässt er in seinem Garten einen Bretterzaun errichten, um die verhasste Fabrik nicht sehen zu müssen.

Als er erkrankt, muss er sein Bett hüten. Er blickt hinaus auf Garten und Bretterzaun. Bald wird es ihm langweilig und er lässt die Bretter aus dem Zaun entfernen. Der Blick auf die Fabrik wird frei. Als er auch das Büro, die Kantine und das Fabrikgelände sieht, entspannt das Lächeln die Züge des Kranken, schreibt Marti. Und er stirbt nach wenigen Tagen.

Was im Leben wichtig ist
Im Angesicht von Covid-19 und den Einschränkungen hätten viele einen anderen Blick auf ihr Leben erhalten. Sie hätten gemerkt, was im Leben wichtig ist, und dass es die Beziehungen und die Liebe, die Familie und Freunde und ihre Arbeit sind, die sie tragen. «Gott lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden», zitierte Pfarrer Erich Huber den Psalm 90. Eine Erfahrung, die viele in diesen Tagen gemacht haben.

Tilmann Zuber

Unsere Empfehlungen

Das Ende des Abendmahlstreits

Das Ende des Abendmahlstreits

1973 schrieben die protestantischen Kirchen Europas im Kanton Baselland Kirchengeschichte. Sie beschlossen Kirchengemeinschaft. Dies vereinfacht seither vieles zwischen den Reformierten, Lutheranern und Unierten. Manche Themen sind nach wie vor umstritten.