Reden, bevor die Zündschnur abbrennt

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15.06.2020
Das neue Online-Format «Zündschnure» lädt Männer dazu ein, mit einem Bier vor dem Bildschirm in geselliger Runde über sich und ihre Rolle nachzudenken.

«Männer warten häufig, bis die Zündschnur abgebrannt ist und sie explodieren, bevor sie sich aussprechen», sagt Markus Bürki. Seit Ende Mai moderiert er das neue Format «Zündschnure». Männer sollen unter sich über ihre Rolle in der heutigen Gesellschaft reden, miteinander «schnure», bevor es knallt. Gerne bei einem Glas Bier und wegen der Corona-Pandemie bis auf weiteres vor dem Computerbildschirm.

Markus Bürki ist Jugendarbeiter in der reformierten Kirchgemeinde Allschwil. Daneben verfügt er als selbständiger Kommunikationsfachmann über Erfahrung als Männercoach und in der Väterberatung. «Zündschnure» ist ein gemeinsames Angebot mit der kirchlichen Fachstelle für Genderfragen und Erwachsenenbildung.

Geschlechterrollen verunsichern
«Männer stehen heute an Weichenstellungen», sagt Bürki. «In den letzten dreissig Jahren hat sich gesellschaftlich so viel verändert. Wie gehe ich als Mann damit um? Was wird von mir verlangt?» Gleichzeitig existierten die alten Geschlechterrollen weiter, so Bürki. Der Mann arbeitet, die Frau erzieht die Kinder – viele Paare lebten dieses Modell bis heute. Dies führe zu einer grossen Verunsicherung. Etwa die Frage, ob die Partnerin die Kontrolle aus der Hand gibt und man sich als Vater wirklich um sein Kind kümmern darf, nachdem man sein Arbeitspensum reduziert hat. Aber auch das Thema «Männlichkeit» beschäftigt das so genannte starke Geschlecht. Darf man seine Gefühle zeigen? Ist Bier trinken und schnelle Autos fahren okay?

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen erachtet Bürki ein Angebot wie «Zündschnure» als unverzichtbar. Die höchstens acht Teilnehmer setzen die Themen, über die sie sich austauschen möchten. Nur der Einstieg in den ersten Abend war mit der Runde zu «Das bin ich» vorgegeben, um einander kennen zu lernen. Früher oder später komme man auf die grossen Lebensfragen zu sprechen, sagt Markus Bürki: Wer bin ich? Woher komme ich? Warum bin ich hier? Wohin gehe ich? Wenn man sich bereits kenne, falle es leichter, über persönliche Dinge zu sprechen.

Reden und zuhören
Die Mehrheit der Männer, die sich auf solche Gesprächsangebote einlassen, seien bereits «reflektiert unterwegs», räumt Bürki ein. «Wer nicht sieht oder sehen will, dass er Probleme mit seiner Vaterrolle, in der Partnerschaft oder mit seiner Vergangenheit hat, kommt in der Regel nicht zu mir.» Dennoch gebe es Teilnehmer, die anfangs skeptisch sind und nach der letzten Gesprächsrunde eingestehen, dass ihnen der Austausch etwas gebracht hat. Im Übrigen sei es auch in Ordnung, einfach einmal zuzuhören, weil man am Anfang noch nicht so viel von sich preisgeben möchte. «Zündschnure» ist ausgeschrieben als geselliges «Online-Meeting mit Bier & Talk», nicht als Beichtstunde.

Karin Müller

«Zündschnure», das Online-Meeting mit Bier & Talk für Männer, Freitag, 26. und Sonntag, 28. Juni, 20 bis 22 Uhr, Anmeldung: sms an 077 521 61 42, Markus Bürki oder gender-bildung@refbl.ch

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