Mit Hochs und Tiefs umgehen

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23.05.2020
Koni Nef ist Biolandwirt aus Überzeugung. Die Biolandwirtschaft allein sei aber kein Wundermittel gegen den Klimawandel. Dazu brauche es vielmehr ein gesellschaftliches Umdenken.

Herr Nef, seit wann sind Sie Landwirt und auf was ist Ihr Betrieb spezialisiert?
Ich bin in Scherzingen auf dem elterlichen Betrieb aufgewachsen und übernahm diesen im Jahr 1987 zusammen mit meiner  Frau Petra. Es handelte sich damals um einen Milch- und Ackerbaubetrieb. Im Verlauf der Jahre galt es immer wieder neue Nischen zu entdecken. So sind unsere aktuellen Betriebszweige: Ackerbau, Obstbau mit Hochstammbäumen und Tafelobst, sowie Grüngutverwertung der Gemeinde mit Kompostierung.

Was macht für Sie den Beruf des Landwirts aus?
In meinem Beruf ist mir wichtig, zu tun, was Freude macht. Ich habe viel und gern ausprobiert. Die Herausforderung besteht darin, Unternehmertum und Natur in Einklang zu bringen. Die Verbundenheit mit der Natur erachte ich als ein Privileg: Sie lehrt mich, mit Hochs und Tiefs umzugehen. 

Welchen Bezug haben Sie zum Glauben?
Ich bin im evangelischen Glauben gross geworden. Als Bub faszinierten mich in der Sonntagsschule die Geschichten der Bibel. Später merkte ich, dass im Glauben  einige gesellschaftliche Grundwerte verankert sind, die mir wichtig sind und welche ich versuche zu leben. Was mir natürlich nicht immer gelingt. Spirituell orientiere ich mich am konkreten Leben in der Beziehung  zur Natur und Verbundenheit mit allem Leben. Mich eingebunden zu wissen in einem grösseren Ganzen bis zum Tod gibt mir Kraft und Gelassenheit, die Herausforderungen des Lebens so zu nehmen, wie sie kommen.

Sie führen einen Biobetrieb. Wie unterscheidet sich ein solcher von einem konventionellen Betrieb?
Ich führe unseren Betrieb nach den Richtlinien der Bio Suisse (Knospe). Wir versuchen die Böden zu schonen, in dem wir keine anbaubedingten Rückstände hinterlassen. So können wir langfristig die Fruchtbarkeit und die Artenvielfalt fördern. Dies gelingt uns immer etwas besser – auch dank neuer Anbau- und Produktionsmethoden und der Verbesserung der bisherigen.

Und wie unterscheiden sich Bio- und konventionelle Betriebe in Bezug auf den CO2-Ausstoss?
Da scheiden sich seit der Veröffentlichung der englischen Studie der Cranfield University die Geister. Die Studienresultate zeigen: Beim Biolandbau nehmen die CO2-, Lachgas- und Methanemissionen zwar generell ab. Doch die Erträge aus den Bio-Äckern sind tiefer als in der konventionellen Landwirtschaft. So fällt das eingesparte CO2 an anderen Orten wieder an. Zum Beispiel durch Import oder mehr Flächennutzung. Um mit einer Biolandwirtschaft Klimaziele und Ernährungssicherheit zu erreichen, müssten wahrscheinlich die Menschen weltweit den Fleischkonsum massiv senken.

Aus welcher Motivation heraus haben Sie auf einen Bio-Betrieb umgestellt? Spielt diesbezüglich auch der Glaube eine Rolle?
Das war ein langjähriger Prozess, indem verschiedene Faktoren eine Rolle spielten. Zum einen neue Erkenntnisse aus der Forschung, zum anderen meine persönliche Haltung, unserer Natur beziehungsweise der Schöpfung Sorge zu tragen. Wenn ich lese und höre, wie die Artenvielfalt schwindet und es unseren Bienen in den Städten besser geht als bei uns auf dem Land, bin ich der Meinung, etwas ändern zu müssen.

Welches sind die besonderen Herausforderungen, die sich einem Bio-Betrieb stellen und wie begegnen Sie diesen?
In der Biolandwirtschaft gibt es keine schnellen Lösungen. Das veranschaulicht das folgende Beispiel: Wenn ich bei der Bei- beziehungsweise Unkrautbekämpfung witterungsbedingt – zum Beispiel wegen zu nasser Böden – nicht hacken oder striegeln kann, siegt das Beikraut über den Mais, Dinkel, Getreide usw. Die Ernte ist entsprechend tiefer. Da braucht es Toleranz und einen gelassenen Umgang mit den vorher erwähnten «Hochs und Tiefs». 

Gemäss dem Schweizer Bauernverband ist die Landwirtschaft für rund 13 Prozent der Treibhausemmissionen in der Schweiz verantwortlich. Einige Kantone streben eine «klimaneutrale» Landwirtschaft an. Wie beurteilen Sie dieses Ziel? Und wo machen Sie das grösste Potenzial aus?
Ob und wie eine Umsetzung gelingt, ist derzeit schwierig zu beantworten. Hier wünsche ich mir neue Erkenntnisse von einer wirtschaftsneutralen Forschung. Potenzial auf meinen Betrieb bieten sicher energiesparende Maschinen oder Verbesserungen beim Kompostieren. Regionalität in der Vermarktung und damit verbundene kurze Transportwege unterstützen das Erreichen der Klimaziele ebenfalls.

Was möchten Sie noch loswerden?
All diese Gedanken und Antworten gründen auf meiner persönlichen Meinung. Es ist mir wichtig, niemanden zu kritisieren oder zu belehren. Jeder kann sein Tun selber bedenken und verantworten.


(Interview: Cyrill Rüegger)

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