Jahreslosung 2020: «Ich glaube; hilf meinem Unglauben!»

min
29.04.2020
Die Selbstwidersprüchlichkeit des Menschen ist Thema der Jahreslosung für 2020. Damit trifft sie unseren schmerzhaftesten wunden Punkt. Doch just hier beginnt jede Heilung.

«Ich glaube; hilf meinem Unglauben!» Diesen Verzweiflungsschrei wirft ein Mann Jesus entgegen. Er hatte ihn gebeten, seinen von schweren epileptischen Anfällen geplagten Sohn zu heilen, – wenn er denn etwas vermöge. Jesus entgegnet ihm: «Was soll das heissen: Wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt.» Darauf entfährt es dem Vater: «Ich glaube, hilf meinem Unglauben!» Jesus erhört die hilflose und widersprüchliche Bitte und heilt den leidenden Knaben von seiner Plage (Markusevangelium 9,14 ff.).

Stete Zweifel

Zugleich den Glauben und den Unglauben bekennen, wie geht das zusammen? Was so unlogisch erscheint, erfahren wir täglich an uns selbst. Unser Glaube ist von steten Zweifeln durchsetzt, unser Reden und Handeln sind nie ganz rein. Wir glauben, doch nicht ohne Angst. Wir sind ehrlich – meistens. Wir sind treu – im grossen Ganzen. Auch grosszügig, dabei aber nicht ohne eigene Interessen. Wir suchen den Frieden, vor allem, wenn er auch uns nützt. Selbst Heilige sind von diesen Widersprüchen nicht frei. Der Apostel Paulus beklagt, dass er nicht das tut, was er will und für richtig hält (Römerbrief Kapitel 7). Von Mutter Theresa – einer tiefgläubigen Frau – hat man nach ihrem Tod erfahren, dass sie mit bohrenden und abgründigen Glaubenszweifeln kämpfte.

Es gehört zum Menschen, dass er zwischen Glauben und Unglauben schwankt. Gerade reife Gläubige wissen: Ihr Glaube ist klein wie ein Senfkorn. Sie machen ihn nicht selber, sondern sind darauf angewiesen, dass Gott ihn stärkt. Eben diese Demut ist aber auch die Türe, durch die der Heilige Geist hereinwehen und die Liebe zu Gott und Mitmensch anfachen kann.

Als Kirche ist es unsere vornehme Aufgabe, in solcher Demut liebevoll auf die Menschen zuzugehen. Wir wissen, dass wir die Gemeinschaft der ungläubigen Gläubigen sind. Deshalb tragen wir einander in unserem gläubigen Unglauben – und beten zu Gott. Gerade in der jetzigen schwierigen Zeit braucht unser Glaubensmut seine Stärkung.

Pfarrer Ulrich Knoepfel, Präsident des kantonalen Kirchenrates