Lesung der Bibel in elf Tagen

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19.12.2019
Wie schon vor zehn und zwanzig Jahren lesen Interessierte in der Titus Kirche die Bibel in einem Atemzug durch. Eine Ausstellung und zwei Veranstaltungen begleiten die «Lectio continua».

Auf die Frage, welches Buch der Weltliteratur den stärksten Eindruck auf ihn gemacht habe, antwortete Bertolt Brecht: «Sie werden lachen, die Bibel.» Wenn schon Brecht als erklärter Atheist die Bibel zu seiner Lieblingslektüre machte, muss an diesem Buch wohl etwas dran sein. Offline, das ökumenische Zentrum für Meditation und Seelsorge, lädt in der ersten Februarhälfte dazu ein, die Bibel von A-Z, von 1. Mose 1,1 bis Offenbarung 22,21 in 20-minütigen Abschnitten zu lesen beziehungsweise anzuhören. Ganz im Sinne von Karl-Josef Kuschel, ehemaliger Professor an der Universität Tübingen: «Die Bibel ist in erster Linie ein Sprech- und Hör-Ereignis. Die biblischen Geschichten wollen vorgelesen und sollen immer wieder neu gehört werden.»

Antworten auf die Menschheitsfragen
Auf die Frage, warum Offline das Bibellese-Projekt erneut durchführt, antwortet Waldtraut Mehrhof mit einem Ausspruch des deutsch-amerikanischen protestantischen Theologen und Religionsphilosophen Paul Tillich: «Aber der Mensch kann nicht erfahren, was Tiefe ist, ohne stille zu stehen und sich auf sich selbst zu besinnen.» Stille stehen in der Stille des Kirchenraumes – zu dieser tiefen Erfahrung könne das Lesen und Hören der uralten und ständig neuen Texte beitragen, ist Mehrhof überzeugt. Die in mehr als einem Jahrtausend entstandenen Schriften würden immer neue Antworten auf die Menschheitsfragen geben. «Die Texte sagen uns, wie Gott durch die Zeiten neu gedacht wurde, wie sich die Vorstellungen der Menschen in den Gesellschaften und Zeiten, in denen die beiden Testamente entstanden, veränderten», ergänzt Mehrhof. «Schöpfungsmythen, Frauenbilder und Liebesgeschichten, Prophezeiungen und Untergangsszenarien, Jesu Heilungsgeschichten, die Berichte über sein und das Leben seiner Jünger und Jüngerinnen – wir sind aufgefordert, zu hören und zu deuten, was diese Geschichten uns Heutigen be-deuten.»

Selbst lesen oder zuhören
Interessierte sind eingeladen, selbst einen Abschnitt aus der Bibel in ihrer Muttersprache vorzulesen oder einfach zuzuhören. Im Anmelderaster (www.offline-basel.ch) ist einsehbar, wann welche Passage in welcher Sprache gelesen wird. In einer Art klösterlichem Rhythmus wird die «Lectio continua» jeden Tag um 9, 12 und 18 Uhr durch Musik und Stille unterbrochen.
Im Paul-Gerhardt-Saal neben dem Kirchenraum der Titus Kirche zeigt die Bibelgesellschaft einen Teil ihrer Sammlung. Zu sehen sind ausserdem Faksimiledrucke aus Privatbesitz. Es gibt eine Kaffeeecke mit Gesprächsmöglichkeit. Kinderbibeln, Farbstifte und Zeichenpapier lassen auch den Kleinen die Zeit nicht lang werden. Träger des Projekts ist Offline. Das Forum für Zeitfragen veranstaltet begleitend zwei Vortragsabende.

Toni Schürmann, kirchenbote-online, 19. Dezember 2019

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