Sorgekultur wieder neu pflegen

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18.04.2019
Was erwarten Sie von sorgenden Gemeinschaften? Diese Frage hat Brigitte Hascher, Mitglied der Synode der Evangelischen Landeskirche Thurgau, beantwortet.

«Wir leben immer mehr in einer individuellen Welt. Alles wird individualisiert, die Ausbildung, die Arbeit, die Hobbys und die Freizeit. Gleichzeitig findet eine zunehmende Globalisierung statt. Die Wirtschaft macht keinen Halt vor dem Individuum und nimmt auch keine Rücksicht auf das Bedürfnis von Einzelnen. In dieser gespaltenen Realität befinden wir uns. Ich denke, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir eine Kultur des Sorgens für einander wieder neu entwickeln und pflegen. Was früher zum Teil selbstverständlich war, ist zur Ausnahme geworden. Die Zeit für einander fehlt uns und die Bedürfnisse sind schwieriger zu definieren. Ich denke, dass es durchaus die Rolle der Kirche sowie der Politik ist, Plattformen zu organisieren und zu gestalten, wo der Austausch und das Mitfühlen gestärkt werden. Der christliche Glaube hilft uns dabei. Glauben und spirituelle Dimension geben uns Menschen Kraft und Inhalt in unserem Leben. Im Besuchsdienst zum Beispiel können die Gespräche viel persönlicher und tiefer werden, wenn diese Dimension wahrgenommen wird. Ich finde, kirchliche Angebote sind wichtige Ergänzungen zu weiteren Angeboten und keine Konkurrenz. Was ich von einer ‹sorgenden Gemeinschaft› erwarte, ist die Möglichkeit, Menschen zu begegnen – ohne dass Leistungen im Vordergrund stehen. Es sind Begegnungen möglich, bei denen Ehrlichkeit, Offenheit und Klagen nicht als Schwäche gesehen werden oder sogar ausgenützt werden, sondern aufgenommen und mitgetragen werden.»

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