Fragen kostet nichts

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08.04.2019
Was muss ein Konfirmand können, wenn wir ihn konfirmieren? Das «Unser Vater»? Und wie? Reicht auswendig? Oder soll er das auch inwendig können? Und wie bringen wir ihm das bei?

Es ist offensichtlich. Unsere Kirche verändert sich genauso wie unsere Gesellschaft. Doch der Religionsunterricht steht wie ein Fels in der Brandung und scheint den Wellen der Veränderungen standzuhalten. Ok. Hin und wieder passen wir den Inhalt des Religionsunterrichtes hoffentlich nicht nur dem Zeitgeist an. Trotz neuer Lehrpläne bleibt die Unterrichtsform grösstenteils gleich. Kirche macht Schule.

Ich frage mich, ob sich die Kirche im Bereich des Religionsunterrichtes einige Fragen gefallen lassen müsste. Fragen kostet nichts. Vor allem wenn man keine Angst vor der Antwort hat.

Wie ist das nun mit dem Unser Vater? Müssen die Kinder das Unser Vater auswendig beten können? Müssen sie mit ihrer Seele erfassen, was das Unser Vater bedeutet? Können Sie das als Erwachsene? Führt mehr Wissen zu mehr Glauben? Oder braucht es dazu die Erfahrung einer grösseren Macht, die Friedrich Schleiermacher, ein Theologe aus dem 19. Jahrhundert, das „Gefühl der schlechthinigen Abhängigkeit“ nannte. Vielleicht braucht es ein wiederholendes Tun, Rituale, ein Einüben in religiöse Haltungen?

Wie lernen Kinder? Jede Gesellschaft und jede Zeit hat ihre eigenen Lerntheorien und -methoden entwickelt. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir viele Methoden überblicken können und die Antwort ist nicht ganz eindeutig. Allerdings - da sind sich die meisten einig - der Boden jedes Lernens sind Menschen, die die Kinder mögen und sie als eigenständige Personen akzeptieren.

Ich stelle mir seit vielen Jahren immer wieder die Frage, ob die Schule der richtige Ort ist, Glauben zu lehren oder zu lernen. Gibt es einen „besten Ort“, Vertrauen in Gott zu lernen? Wie müsste ein Ort sein, an dem Vertrauen gelernt werden kann? Drinnen oder Draussen? Schule, Kirchgemeindehaus, Kirche oder gar ein grosses Zelt? Oder kommt es gar nicht auf den Ort an? Was meinen Sie dazu?

Kann eine Jugendliche konfirmiert werden, auch wenn sie das Unser Vater nicht kann? Können Jugendliche konfirmiert werden, die den Religionsunterricht nicht besucht haben? Wenn die Konfirmation als Abschluss des Religionsunterrichtes gefeiert wird, sähe das wohl seltsam aus.

Aber was wäre, wenn wir die Konfirmation als „Segen auf dem Weg“ feiern, wie eine Hochzeit. Mit einem vorbereitenden Gespräch und einer Beteiligung bei der Gottesdienstvorbereitung. Unsere aktuelle Kirchenordnung hat die Konfirmation schon von der Taufbestätigung gelöst. Dann könnten wir sie auch vom Unterricht trennen. Und der Unterricht wäre dann eine intensivere Vorbereitung für alle, die das auch wirklich wollen.

Der Religionsunterricht entstand durch die Kindertaufe. Früher war er entsprechend nachgeholter Taufunterricht. Und da wir evangelischen Kirchen das Priestertum aller Gläubigen hervorheben, wollen wir auch allen religiöse Bildung angedeihen lassen. Damit jeder getaufte Mensch die Möglichkeit hat, ein Priester oder eine Priesterin zu werden.

Also: Muss Religionsunterricht sein? Wenn die Jugendlichen nur kommen, weil sie konfirmiert werden wollen, ist das eine zweifelhafte Motivation. Und unbefriedigend für alle Beteiligten.

All diese Fragen haben sich auch schon viele Generationen vor uns gestellt. Sie haben ihre eigenen Antworten gefunden. Heute sind wir an der Reihe, Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen. Dazu wünsche ich unserer Landeskirche einen angstfreien Raum und Freude am Diskutieren.

Regula Gamp

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