Gelebte und gastliche Kirche in Betschwanden

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26.11.2018
Kerzenlicht beruhigt, entspannt, schafft eine besinnliche Atmosphäre. Besonders schön ist es, wenn die Kerze selbst gemacht ist. Kirchgemeinden bieten denn auch dieses Jahr gemeinsames Kerzenziehen an. So zum Beispiel im Grosstal.

Ein Samstagnachmittag im November. Die Sonne scheint, es ist relativ warm, am Tödi türmen sich die Föhnwolken zu einer richtigen Mauer auf. Wer denkt da schon an Kerzen, an Advent oder Weihnachten?

Die Überlegungen sind nicht abwegig. Beim Eintreffen im Kirchenzentrum Betschwanden sind nur etwa 20 Personen beim Kerzenziehen anzutreffen. Normal wären rund 80. «Von den Temperaturen her müssten wir Ostereier anmalen», lacht eine Frau.

Die Kirchgemeinde Grosstal bietet das gemeinsame Kerzenziehen im November neunmal an: dreimal an einem Mittwochnachmittag, je dreimal am Samstag und Sonntag. «Gegen Ende kommen immer deutlich mehr Leute als am Anfang», sagen Marlene Dürst und Claudia Abart. Sie leiten das Angebot mit etlichen Helferinnen und Helfern – darunter auch Jugendlichen, die Punkte sammeln wollen.

Es ist gelebte Kirche und eine schöne Tradition. Claudia Abart war vor rund 40 Jahren schon als Kind mit dabei. Marlene Dürst ist in Österreich aufgewachsen. «Dort kannte man das nicht», erzählt sie. Heute ist auch sie begeistert und mit viel Herzblut mit dabei.

Für alle Generationen

Ruhig wird im Keller des Kirchenzentrums gearbeitet. Kinder, Jugendliche, Erwachsene – alle freuen sich über die Herstellung eigener Kerzen. «Es kommen alle Generationen, vom Kindergärtler bis zur 92-jährigen Grossmutter. Oft auch ganze Familien», sagen die Leiterinnen. Vom ganzen Kanton und von auswärts bis nach Zürich. Vor allem die Kinder freuten sich riesig: «Es gibt solche, die fast das ganze Jahr über vom Kerzenziehen sprechen.»

Die Helferinnen sorgen dafür, dass aus den gezogenen Kerzen richtige Kunstwerke entstehen. In verschiedenen Farben, mit wunderschönen Verzierungen, mit Schnee (Stearin) oder Glanz (Paraffin). Bezahlt wird nur fürs Material.

Auch kulinarisches Angebot

Oben befindet sich die Kaffeestube. Sie ist Begegnungs- und Verpflegungsort. An den Wochenenden nehmen die Besucher hier oft das Mittagessen ein. Nebst den selbst gebackenen Kuchen gibt es Wienerli mit Brot.

So trifft man sich beim Kerzenziehen und begegnet einander beim Essen. Also nicht nur gelebte, sondern auch gastliche Kirche. Schön. Hoffen wir, dass die Tradition noch lange weitergehen kann.

Madeleine Kuhn-Baer