Neu wirksam werden

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07.06.2018
Aus allen Kirchgemeinden trafen sich am 6. Juni Vertretungen im Kirchgemeindehaus in Teufen zur Vorstellung der Umsetzungsstrategie zum Diakoniekonzept der evangelisch reformierten Landeskirche beider Appenzell. Geplant war kein trockener Anlass, sondern eine Begegnung und Auseinandersetzung, wo Vorbehalte und Begeisterung gleichermassen geäussert werden konnten

Um die Grundidee der Umsetzung von Anfang an deutlich zu machen, wurden die Vertretungen der Gemeinden gebeten, etwas Essbares aus ihrem Ort mitzubringen, das dort ihrer Meinung nach besonders gut hergestellt wird. Es kam ein Buffet mit einer Fülle von Köstlichkeiten zustande, welches auf seine Art dokumentierte, was für ein Reichtum an Angeboten im Appenzellerland vorhanden ist.

Sichtbar werden

Die Ausgangslage für die Kirche ist zwiespältig. Die Synode vom 25. Juni 2018 wird sich mit dem weiteren Vorgehen im Bereich Finanzen quo vadis beschäftigen, wo konkrete Sparmassnahmen Thema sind. Dann wird die Neuorganisation des Finanzausgleichs ein Thema sein, das die Gemüter nicht gleichgültig bleiben lassen wird. In diese Situation hinein kommt die Umsetzung des Diakoniekonzeptes, die ebenfalls an der Sommersynode behandelt werden soll. Hier wird nicht gespart, hier wird Geld eingesetzt. Eingesetzt für etwas, das heute noch keine Garantie bietet, dass es gelingt. Die Vorbehalte sind von daher einsichtig und ernst zu nehmen. Zentral für die vom Kirchenrat eingesetzte Arbeitsgruppe war an diesem Abend nicht die eher sachliche Auseinandersetzung mit Kosten und Stellenprozenten, zentral war die Vermittlung des Gefühls der Fähigkeit und Wertschätzung. Zentral war es, nicht einfach einen neuen Ballon steigen zu lassen, sondern einen neuen Blick auf das zu gewinnen, was bereits alles läuft. Es soll mehr Sichtbarkeit entstehen und es soll mehr Vernetzung entstehen. Vernetzung in den Gemeinden mit den Menschen, die sich dort bereits vielfältig auch ausserhalb der Kirche in den Vereinen engagieren und Vernetzung unter den Kirchgemeinden, um gemachte Erfahrungen auszutauschen und Projektideen untereinander fruchtbar werden zu lassen. Budgetiert sind pro Jahr ca. 84'000.00 Franken, die aus dem Projektfond der Landeskirche, im ersten Jahr von einem Diakoniefranken der Kirchgemeinden in der Héhe von 20'000.– Franken, einem Beitrag von insgesamt 50'000.– Franken der Stiftung Fondia und von Beiträgen aus Fundraisingaktivitäten (Stiftungen kantonal und Schweiz) geäufnet werden soll.

Schnellstart

Die Entscheidung, ob die erarbeitete Vorgehensweise weiterverfolgt werden kann, liegt bei der Synode. Gibt diese grünes Licht mit einem Ja, wird ab 2019 bis 2022 die Umsetzung an die Hand genommen. Im Zeitraum von 3 Jahren soll die grundlegende Struktur geschaffen werden, welche die Kirche bei ihren Mitgliedern als einen Ort des vielfältigen Engagements erlebbar und einladend machen soll. Es geht dabei nicht nur um neue Angebote, die von bereits aktiven Mitgliedern geleistet werden soll. Es geht dabei um den selbstkritischen Blick auf Bestehendes, die Wertschätzung dessen, was gut läuft und auf Möglichkeiten, alte Zöpfe abzuschneiden und Räume für neue Angebote zu gewinnen. Wie das geschieht, soll durch die neue Struktur nicht mehr einfach jede Kirchgemeinde für sich entscheiden müssen, es sollen durch den Austausch und die einsehbare Ideensammlung gemeinsame Lösungen möglich werden. Veränderungen brauchen ihre Zeit, die Veränderung der Praxis und damit der Wahrnehmung muss mit den Gemeindegliedern geschehen. Kirche wird, wie die Schule, von vielen „alten“ Erfahrungen und Bildern geprägt, die nicht so einfach losgelassen werden wollen – sogar wenn sic negativ sind. Insofern ist der gegebene Zeitraum sehr kurz, es gilt, die Prioritäten richtig zu setzen.

Strukturen

Angedacht sind von der Arbeitsgruppe ein Stellenpool, wo sich interessierte Personen mit einem Pensum um die 20% mit der Umsetzung beschäftigen können. Die Arbeitsgruppe denkt dabei weniger an eine klassische Fachstelle, die von „oben“ vorgibt, sie kann sich 3 TeilzeiterInnen in den Kantonsteilen vorstellen, die durch die räumliche Nähe zu den Gemeinden am Geschehen dran sin und durch den gemeinsamen Austausch untereinander und mit den Verantwortlichen Ansprechpartnern in den Gemeinden die Entwicklung führen und dokumentieren. Das zweite Element ist eine Webseite, wo die Projekte gesammelt, eingesehen und auch kommentiert werden können. Eine dialogische Ideen- und Projektplattform, wo Bestehendes und Neues erfasst und dokumentiert wird.

Ziele

Das Ziel all dieser Unternehmen ist der engere Kontakt auch mit kirchenfernen und –kritischen Menschen und der Einbezug von Persönlichkeiten in die Verwirklichung von Projekten. Kirche als Erlebnisort über gängige Klischees hinaus. Kirche als Gestaltungsgefäss von sinnvollen Angeboten, wo Menschen sich als wirksam und wertgeschätzt erleben können.

Die Besucherinnen und Besucher des Anlasses erwiesen sich in ihrer Meinungsvielfalt als hoffnungsvolle Basis für die anstehende Veränderung. Es wurden keine Lösungen geboten, die Lösungen liegen in den Händen der Synodalen und der Verantwortlichen in den Kirchgemeinden. Die Lösungen sind bereits bestehend in funktionierenden Projekten, die es noch sichtbarer zu machen gilt und in den Ideen für neue Angebote, welche an die Stelle von überkommenen Anlässen treten sollen. Es gilt nach den politischen Entscheiden in den Gemeinden die Menschen für den Prozess zu begeistern und mit ihnen Lösungen zu versuchen. Das Ziel heisst, aus (Passiv)Mitgliedern Beteiligte zu machen. Beteiligt als solche, die Ideen umsetzen und beteiligt also solche, welche die Angebote als Besucher und Gäste nutzen, weil sie ihnen sinnvoll erscheinen. Nur wenn Kirche als ein positiver Ort erlebt werden kann, werden die Menschen bei ihr bleiben und ihre Zeit und ihr Geld dort investieren. Finanzielle quo vadis-Fragen finden dann hoffentlich einen anderen Beweggrund als alleine den Spargedanken. Heinz Mauch-Züger

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